
Foto: Deutsche Märchenstraße
Von Luisa Eckart
Benjamin Schäfer ist seit 2007 Geschäftsführer der Deutschen Märchenstraße, eine der bekanntesten deutschen Ferienstraßen. Von Hanau bis Bremen verbindet sie Lebensstationen der Brüder Grimm mit unterschiedlichen märchen- und sagenhaften Orten. Der Hauptsitz befindet sich in der Kürfürstenstraße in Kassel.
Was fasziniert Sie an den Märchen und Sagen der Brüder Grimm?
An den Brüdern Grimm und an all dem, was sie geleistet haben, interessiert mich zum einen das Lebenswerk und die Tatsache, dass sie einfach viel gearbeitet haben unter Umständen, die wir uns heute gar nicht mehr vorstellen können. An den Märchen fasziniert mich vor allem die poetische Sprache und dass diese selbst heute noch, nach über 200 Jahren, die Menschen in ihren Bann zieht. Und dass Menschen über Generationen hinweg und über Ländergrenzen hinweg sich davon immer noch faszinieren lassen, das fasziniert mich wiederum.
Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?
(Lacht) Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich nicht wegen der Märchen und Sagen für diesen Beruf entschieden, sondern wurde als Organisations- und Netzwerkentwickler angefragt.
Seit wann gibt es die Märchenstraße und wie ist sie entstanden?
Die Märchenstraße gibt es seit 1975. Die grobe Geschichte wird so erzählt dass, sie selber wieder ein Märchen ist: Der damalige Kasseler Landrat Dr. Herbert Günther war auf einer Reise in Russland und hat dort in einer Bibliothek ein altes Märchenbuch der Brüder Grimm von seinem Gastgeber gezeigt bekommen. Er hat erkannt, dass die Märchen tatsächlich weltweit geschätzt werden. Er war der Meinung, man müsste etwas daraus machen. Dann kam die Idee für eine hessische Märchenstraße auf und durch einen Bremer Kollegen kamen sie schließlich auf die Idee von Hanau, dem Geburtsort der Brüder Grimm, bis nach Bremen eine Ferienstraße zu erschaffen.
Die Märchenstraße zieht sich über 600 Kilometer Luftlinie durch Deutschland. Wenn man den Hauptsitzt der Märchenstraße bei Google eingibt erscheint Kassel. Können Sie erläutern, warum Kassel die „sogenannte“ Hauptstadt ist?
Kassel als Hauptstadt hat zwei, wenn nicht sogar drei Gründe. Der erste ist historisch. Jacob und Wilhelm Grimm haben die längste Zeit ihres Lebens in Kassel verbracht und hier auch einen Großteil ihrer Märchensammlung erarbeitet und veröffentlicht. Der zweite Punkt wäre geografisch, da man von der Mitte aus viel erreichen und der Austausch mit anderen leichter stattfinden kann. Die Stadt Kassel und der Landkreis Kassel haben 2006 beschlossen die Geschäftsstelle hier einzurichten. Beide haben einen Teil des Personals und Finanzmittel zur Verfügung gestellt.
Was bedeutet das für den Tourismus in Kassel?
Es ist tatsächlich so, dass das ganze Thema „Märchen und die Brüder Grimm“ eine große weltweite Bekanntheit hat und für viele Menschen in anderen Ländern, vor allem im asiatischen Raum und in Nordamerika, ein wichtiges Motiv für eine Reise nach Deutschland ist. Dabei kommen in etwa 80-90 Prozent der ausländischen Besucher nach Kassel, weil sie es gerne so authentisch wie möglich haben wollen und wissen möchten, wo die Brüder Grimm eigentlich herstammen.
Können Sie uns kurz von den spannendsten oder interessantesten Symbolfiguren der Märchenstraße erzählen?
Generell kann man sagen das es altersabhängig ist. Für jüngere Mädchen ist Dornröschen am spannendsten. Die Jungs finden vielleicht eher den Ritter Dietrich interessanter.
Gibt es in naher Zukunft schon Pläne für neue Projekte, die Sie uns verraten dürfen?
Ja, wir haben Pläne. Da hat Corona uns sogar in gewisser Weise eine Chance gegeben mehr daran zu arbeiten, da die normalen Auslandsaktivitäten im letzten Jahr ausgefallen sind.
Zum einen sind wir jetzt dabei, eine App für die Deutsche Märchenstraße zu entwickeln, die von der Reisevorbereitung bis zur Reisebegleitung Informationen, Service, Unterhaltung und Erlebnisse anbieten soll. Ein weiterer Bestandteil der App sollen Virtual-Reality-Touren sein, in denen man beispielsweise das Brüder- Grimm- Denkmal über das Handy besuchen kann.
Ein anderes Projekt, mit dem wir jetzt begonnen haben, ist die nachhaltige Mobilität. Dabei geht es darum, parallel zur Autoroute eine Fahrradroute zu entwickeln. Auch an dem Thema E-Mobilität arbeiten wir.
Inwiefern schränkt Corona ihre Arbeit ein?
Wie vorhin kurz schon erwähnt, ist das Auslandsmarketing überwiegend weggefallen im vergangenen Jahr (2020). Aber auch Veranstaltungen stehen bei uns groß im Vordergrund und diese konnten leider nicht stattfinden. Wir mussten einfach ziemlich viel absagen und verschieben. Das musste natürlich von uns kommuniziert werden und dadurch hat sich unsere Arbeit verändert. Allerdings wurde es nicht unbedingt weniger, da wir des öfteren sogenannte Krisenkommunikationen machen mussten.
Die Märchenstraße hat für Klein und Groß viel zu bieten. Gibt es spezielle Angebote für Jugendliche, vielleicht sogar für Studenten? Könnten Sie etwas empfehlen?
Das ist eine gute Frage. Erfahrungsgemäß ist es erstmal so, dass das Thema Märchen für Jugendliche keine große Rolle spielt. Im Kindergartenalter und auch später, wenn man beispielsweise selber wieder Kinder hat, beschäftigt man sich mehr mit Märchen. Dadurch haben wir die Jugendlichen nicht gezielt im Visier. Allerdings gibt es trotzdem Aspekte wie beispielsweise die GRIMMMWELT, welche sehr anspruchsvoll sind. Wenn man Spaß an Bühnenprogrammen hat, gibt es z. B. das Rattenfängermusical in Hameln oder auch das Brüder-Grimm-Festival, welche für fast alle Altersgruppen geeignet sind.
Wo sehen Sie die Märchenstraße in zehn Jahren?
Das ist ja eine spannende Frage. Wenn‘s gut geht, bin ich in zehn Jahren in Rente (lacht). Insofern will ich meinem potenziellen Nachfolger jetzt nicht vorgreifen. Ich bin aber guter Dinge, dass es die Deutsche Märchenstraße dann noch geben und dass sie auch weiterhin eine wichtige Rolle im deutschen Tourismus spielen wird.
Ich bin davon überzeugt, dass Märchen immer noch ein zentrales Thema sein werden und ich denke, ausgehend von der Corona Krise, wird der Deutschlandtourismus längerfristig eine große Rolle spielen.
Vielen Dank für das Interview.