
Foto: N. Fuchs
Von Nele Fuchs
Ralf Kemper (Jg. 1963) ist ein Multitalent: Unter anderem dreht er Musikvideos und Spielfilme, die er auch selber schreibt und produziert, ist Musiker mit 25 Jahren Bühnenerfahrung und gibt Seminare zum Thema Kamera-Acting für die Schauspielschule Kassel sowie Workshops für Jugendliche. Neben all dem veranstaltet er außerdem jährlich das Kasseler Festival „Der Phantastische Trashfilm“, das älteste Trashfilmfestival in Europa. Via Zoom spricht er über seinen persönlichen Werdegang, den Charme von Trashfilmen und den Weg zur Gründung des Trashfilmfestivals.
Du hast 2004 das Kasseler Trashfilmfestival gegründet. Warum?
Ich habe damals selber einen Kurzfilm gemacht. Der ist ohne Budget entstanden und da hatte ich dann die Idee, ein kleines Festival zu machen, bei dem auch andere Filmemacher ihre Filme zeigen können. Zumindest die Filme, die ohne Budget gemacht wurden und die vielleicht auch völlig schräg sind.
Trashfilm definiert sich für dich also als Film mit geringem Budget?
Ja, schon. Ein Trashfilm muss nicht immer ein schlechter Film sein. Auch mit geringem Budget entstehen gute Produktionen, die interessante Themen haben, die im normalen Kino nicht vertreten sind. Aber klar, sobald das Wort „Trashfilm“ auftaucht, ist man sofort immer bei fliegenden Haien…
Beim Trashfilmfestival kürt das Publikum den besten Film. Hast du seit der Gründung eine Veränderung des Geschmacks bemerkt?
Eigentlich nicht. Meistens gewinnen Filme, die wirklich toll waren. Wir hatten zum Beispiel vor zwei Jahren einen tschechischen Ritterfilm, der war richtig klasse und auch sehr aufwendig produziert. Der hat international gewonnen. Bei den deutschen Filmen kam dann wiederum beim Publikum ein ziemlich schräger Film sehr gut an, in dem ein einzelner Mann alle Rollen gespielt hat. Es ist also immer sehr unterschiedlich. Ich kann gar nicht sagen, wie das Publikum das letztendlich entscheidet. Es kommt bestimmt auch immer auf die Stimmung des Abends an.
Das Trashfilmfestival findet dieses Jahr voraussichtlich wieder statt und die Beiträge stehen schon fest (3. und 4. September). Kannst du etwas verraten über die Auswahl? Gibt es nach fast zwei Jahren Corona viele Pandemie-Filme?
Von ungefähr 230 Einreichungen dieses Jahr hatten 30 bis 35 Corona als Thema. Es gab alle möglichen Versionen von Lockdown-Einsamkeit und Home Office. Ausgewählt haben wir einen davon, der ist auch wirklich sehr witzig. Ansonsten haben wir dieses Jahr unter anderem auch wieder einen Superhelden-Film in der Auswahl, aber der ist doch ganz anders, als man denkt. Superhelden-Filme sind immer mal wieder im Programm und der diesjährige ist eine Art Batman-Parodie.
Du bist selbst auch Filmemacher. Welchen Anspruch hast du ans Filmemachen?
Da wir hier in Kassel meist ohne Budget arbeiten, sind wir nicht darauf aus, einen Hollywood-Film zu machen. Viel wichtiger ist mir die Teamarbeit. Das macht es im Moment auch so schwierig, Produktionen auf die Beine zu stellen.
Du bist außerdem noch Musiker und Dozent für Workshops. Wie kam es dazu?
Früher war ich bei der Telekom, und hobbymäßig war ich in einer Band, die hieß „Die Schnitter“. Als wir einen Plattenvertrag bekamen, habe ich zehn Jahre lang vom Musikmachen gelebt. Wir waren in ganz Deutschland unterwegs und haben fünf Platten herausgebracht, aber irgendwann wollten wir Bandmitglieder Familien gründen. Da hat sich die Band letztendlich nicht mehr gelohnt, weil wir live spielen wollten und das aus Zeitgründen nicht mehr ging. Aber als meine Band-Karriere endete, waren gerade die digitalen Kameras und Schnittplätze im Kommen, sodass man auch Zuhause Videos produzieren konnte. Da hab’ ich dann die Gitarre verkauft und mir eine Kamera geholt. Die Kameraleidenschaft geht weit zurück: Mein Vater schenkte mir schon ziemlich früh eine Super-8-Kamera und dann habe ich mit Freunden Filme in Wilhelmshöhe am Herkules gedreht, was ich über die Jahre immer weiter fortsetzte. Dadurch kam ich dann zu den Workshops mit Schülern.
Wie ist es, sein Hobby zum Beruf gemacht zu haben?
An sich ist das eine echt coole Sache. Es ist ein bisschen schwierig, Geld zu verdienen, da hab’ ich schon sehr viel Rückhalt in der Familie, sonst würde das gar nicht gehen.
Gehst du gerne ins Kino?
Ehrlich gesagt nicht, nein. Außer natürlich zu den Premieren-Parties, wenn einer meiner Filme fertig ist. Das sind natürlich schon ganz tolle Erlebnisse. Ansonsten bin ich kein Kinogänger. Ich kann gar nicht sagen, warum. Vielleicht reizen mich die Filme nicht. Ich bin kein 3D-Liebhaber und Superhelden-Filme mag ich – außer fürs Festival – auch nicht wirklich.
In den letzten Jahren verdrängen Streaming-Dienste wie Netflix und Amazon Prime zunehmend das Kino. Gibt es für Trashfilme eine Zukunft bei den Streaming-Diensten?
Schwierig… Bei Amazon Prime findet man jetzt schon sehr viele Trashfilme. Sie haben den Filmemachern die Möglichkeit gegeben, ihre Filme selber hochzuladen. Allerdings sollte man vor allem als Macher von Trashfilmen keine großen Hoffnungen aufs Geldverdienen setzen, weil letztendlich nur die Filme geguckt werden, für die viel Werbung gemacht wird. Es könnte also für unabhängige Filmemacher schwierig werden, sich zu finanzieren, denn wenn niemand deinen Film kauft oder leiht, hat man nichts davon. Außer dass man ihn veröffentlicht hat – das ist dann schon eine schöne Sache.
Trashfilme zu schauen ist eher Nischen-Kultur. Ist das ein essentieller Teil des Genres oder wünschst du dir mehr Mainstream?
Ich finde, abseits des Mainstreams zu sein hat schon seinen Charme und sollte so beibehalten werden. Natürlich könnte ich mir vorstellen, dass mein Festival noch etwas wächst. 200 bis 300 Leute am Abend wären eine tolle Sache, aber dass man 500-Personen-Säle füllt, glaube ich nicht. Es muss sich auch ein bisschen wie eine Convention anfühlen, also ziemlich familiär und eng zusammen.
Kannst du einen Trashfilm empfehlen?
Natürlich „Angriff der Killertomaten“, das ist ja der Klassiker schlechthin. Ansonsten die „Sharknado“-Teile für die, die etwas wirklich Albernes sehen wollen.
Danke für das Interview!