
Foto: V. Voß
Von Valentina Voß
Georg Reinhardt (Jg. 1983) ist seit 2019 leitender Grafiker am Staatstheater Kassel. Nachdem er Visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Kassel studiert hat, war er Meisterschüler in der Klasse Redaktionelles Gestalten bei Professorin Gabriele Franziska Götz. Von 2012 bis 2017 leitete er die Basisklasse Visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Kassel. Er publiziert außerdem über sein Label „Howls from the Margin“ eigene Künstlerbücher und Textilien. Wir sprachen über seine Arbeitsweise, Social Media und das Älterwerden.
Was ist deine Aufgabe im Theater?
Ich bin leitender Grafiker und mache die visuelle Außenkommunikation des Staatstheaters in Form von Postern, Postkarten, Leporellos und Programmheften. Dafür arbeite ich unter anderem eng mit der Pressestelle, den Dramaturgen und Dramaturginnen zusammen. Es ist gerade eben erst wieder eine Monatsleporello fertig geworden. Das ist der schönste Moment im Monat, weil das der Punkt ist, an dem die Arbeit an der nächsten Übersicht am weitesten entfernt ist.
Du bist neben dem Staatstheater auch im Kunstverein, du arbeitest als Grafiker und bist in der Lehre tätig. Kein Bock auf Work-Life Balance?
Ich finde es spannend, immer etwas Neues dazuzulernen, deswegen kann ich zu Projekten schlecht „Nein“ sagen. Im Theater arbeite ich Vollzeit, was mich finanziell absichert, dadurch kann ich mir meine Nebenjobs frei aussuchen.
Ich habe deine Grafikkollegin Susanne Umscheid, die auch zu dem Duo Lesen für Bier gehört, auf einer Lesebühne des Literaturhauses gesehen. Dort hat sie erzählt, dass du gerne „Afrika“ von Toto im Büro spielst. Warum?
Das weiß ich selbst gar nicht so genau (lacht). Es gibt so eine Family Guy-Szene und seitdem habe ich das regelmäßig als Ohrwurm. Wir battlen uns manchmal mit Musik im Büro, aber zurzeit komme ich gegen die Weihnachtslieder nicht an.
Du bezeichnest deine Arbeitsweise als Editorial Design. Was heißt das?
Für mich heißt das, ich arbeite gerne inhaltsbasiert und fundiert. Das beinhaltet eine große Recherchephase, denn ich will Betrachtern und Betrachterinnen mit meiner Arbeit einen gewissen Mehrwehrt bieten. Da muss im Subtext die Farbwahl stimmen. Da muss das Gesamtpaket stimmen. Es ist mir nicht genug eine Facebook-Seite zu gestalten, wo die Schrift so aussieht und die Bilder so aussehen. Dann möchte ich lieber eine Webseite konzipieren, wo die Bilder beispielsweise mit einem starken Querformat arbeiten.
Also allumfassend arbeiten oder hast du einfach etwas gegen Social Media?
Den Gedanken der sozialen Medien mag ich für mich persönlich nicht. Ich habe ja diesen Twitter-Kanal, den ich nicht benutze, weil es mich langweilt. Man wirft eine Botschaft raus und verlangt, dass jemand darauf anspringt und Bestätigung bringt. Natürlich ist es ein Aufmerksamkeitswerkzeug, aber da hört es für mich schon auf. Wenn ich eine Botschaft liefere, dann möchte ich das komplette Format liefern. Die Inhalte meines Buches „Die nach oben hin offene Bedürfnispyramide“ wären auch alles gute Tweets gewesen. Mir sind die Einzeiler aber zu Schade, um das alles in einem digitalen Nichts zu verheizen.
Wie arbeitest du als Gestalter ohne Social Media?
Für mich funktioniert mein lokales Netzwerk hier gerade ganz wunderbar. Drüben im Fridericianum hängt außerdem dreimal im Jahr ein Banner von mir für den Kunstverein, das finde ich ganz gut. Aber diesen ständigen Schwall an ganz vielen unbedeutenden Nicht-Inhalten will ich nicht unterstützen.
Wie funktioniert so ein lokales Netzwerk?
Es ist wichtig einen Ort für seine Inhalte zu schaffen, wenn man auf Social Media verzichtet. Die Arbeiten dann zu dokumentieren und zu zeigen „Das gibt es“. Ich konnte mein Buch „Die Bedürfnispyramide“ unter anderem bei KuSoKu präsentieren.
Was ist KuSoKu?
Das ist eine Veranstaltung vom Raamwerk, die heißt „Kunst Sozial Kommerz“. Das Raamwerk ist ein Zusammenschluss junger Kreativschaffender aus Kassel. Da wurde ich eingeladen und gefragt, ob ich etwas präsentieren möchte. Als ich die Bedürfnispyramide dort vorstellte, habe ich unverzüglich zehn Exemplare verkauft. Mit meinen Publikationen versuche ich auch, mit Leuten in den Dialog zu treten. Also wenig Social Media, sondern Direktkommunikation. So kommuniziere ich lieber. Nicht für einen Äther, sondern gezielt für ein Publikum und über das lokale Netzwerk.
Vor ein paar Jahren hast du in einem Kurzinterview gesagt: „Wenn ich wüsste oder gar sicher wäre, wie es in 20 Jahren um meine Profession als Gestalter bestellt wäre, würde ich nachts nicht mehr in all meinen Träumen vor Zombies weglaufen und hätte tagsüber wieder mehr Zeit für mein Privatleben.“ Schläfst du inzwischen besser?
Fakt ist, dass mein Vertrag befristet ist. Bis dahin ist wieder eine Zeit überstanden. So grundsätzlich gehen Struggles immer weiter. Allerdings träume ich nachts nicht mehr so viel von Zombies. Unter anderem, weil ich irgendwann akzeptiert habe: „Ich bleibe erstmal in Kassel und Kassel ist auch in Ordnung.“ Ich muss nicht unbedingt nach Hamburg oder Amsterdam, um gute Gestaltung zu machen.
Deine Jugend ist jetzt also vorbei?
Ich habe versucht, mir so jugendliche Ideale beizubehalten, gleichzeitig habe ich in den letzten Jahren eine Tochter bekommen und geheiratet. Trotzdem kann ich vom Skateboard fahren nicht so richtig ablassen. Ich habe Angst so ganz schlecht zu altern. Ich sehe dann irgendwelche 40-Jährige, die noch versuchen wie 20-Jährige auszusehen. Da möchte ich meine Jugend lieber über meine Arbeit und meine Publikationen ausleben.
Also für die Zukunft Netzwerke bauen und in Kassel bleiben?
Wahrscheinlich vorerst, ja. Außerdem möchte ich versuchen, mich selbst nicht ausschließlich über meine Profession zu definieren.
https://www.staatstheater-kassel.de/