
Foto: Dana S. Lublow
Von Dana S. Lublow
Luna Schon (22) studiert Soziologie und Politikwissenschaften an der Universität Kassel, ist Mitglied bei Die PARTEI und Referentin des autonomen SchwuLesBiTrans*Queer+ Referats. Ein Gespräch über Politik, soziales Engagement und Kultur.
War dir Politik schon immer wichtig oder hat sich das erst mit der Zeit entwickelt?
Ich bin mit Interesse an der Politik geboren worden. Nein, natürlich nicht. Ich glaube ab der zehnten Klasse wurde ich politisch sozialisiert und bin dann relativ früh aktiv geworden.
Kam das durch die Schule oder durch Freunde, beziehungsweise Klassenkameraden?
Ich bin mit Klassenkameraden auf die ersten Demonstrationen gegen Nazis gegangen, weil man gegen die demonstrieren sollte. Darüber kam ich dann ins antifaschistische Spektrum. Ich hatte später Bezug zu Die PARTEI, bei der ich schon in Bonn aktiv geworden bin.
Und das hat sich hier in Kassel fortgesetzt?
Genau. Wir haben im Rhein-Sieg Kreis, der ist um Bonn herum, einen Verband der PARTEI gegründet. Ich war die einzige Person aus meinem Wahlkreis, die überhaupt hätte aufgestellt werden können. Dadurch habe ich meine Kandidatur aus Zufall bekommen. Dort habe ich mit 0,9% und 845 Stimmen aus dem Stand 15 Stimmen mehr bekommen, als der Kandidat von den Piraten.
Dann bin ich im Oktober 2017 nach Kassel gezogen und habe gesehen, dass Oktober 2018 hier eine Landtagswahl stattfinden würde. Ich wusste gar nicht, dass die extra für mich eine Landtagswahl veranstalten. Dann bin ich recht schnell hier zum Kasseler PARTEI-Verband und wurde als Kandidatin gewählt.
Wie verlief die Landtagswahl für dich?
Ich habe 1,4% der Stimmen bekommen, was ich ziemlich gut finde. 98,6% der Menschen in Kassel haben leider Satire nicht verstanden.
Wie würdest du das Verhältnis von Politik und Kultur sehen, eventuell auch in Bezug auf die PARTEI? Setzt ihr euch für Kultur ein?
Wir fördern auch nur die entartete Kunst. Ich muss sagen, ich finde das Verhältnis ziemlich interessant, gerade mit der satirischen PARTEI-Arbeit im Wahlkampf. Dabei verbindet sich Politik mit Kultur und bildet eine Schnittstelle. Das verändert den Wahlkampf. Zum Beispiel haben viele Kabarettisten und Satiriker, die künstlerisch aktiv sind, kandidiert. Darunter waren Shahak Shapira, der für die PARTEI Reichspropagandaminister werden sollte. Nico Semsrott ist zur Wahl angetreten, der auch auf Platz 2 der Europaliste steht mit Martin Sonneborn. Serdar Somuncu war unser Bundeskanzler-Kandidat. Da gibt es meiner Meinung nach viele Überschneidungen aus dem Kulturbetrieb.
Planst du einen beruflichen Werdegang in der Politik?
Das ist natürlich ein äußerst attraktiver Gedanke, läppische zehntausend Euro pro Monat im Landtag zu verdienen, was sich durch kleine Nebentätigkeiten auf ein wesentlich besseres Gehalt aufpuschen lässt. Meine Ambition ist, mich in den Bereichen Politik, Zivilgesellschaft, Kultur zu organisieren.
Wieso hast du dir Kassel als Ort zum Studieren ausgesucht?
Das war ein hochkomplexes mathematisches Auswahlverfahren. Die Uni Kassel war die erste Uni, die ich gefunden habe, die Soziologie und Politikwissenschaften NC-frei anbietet. Als ich das festgestellt habe, war schnell meine Bewerbung raus.
Wir befinden uns gerade im Raum des autonomen SchwuLesBiTrans*Queer+ Referats, bei dem du dich als Referentin engagierst. Wie bist du dazu gekommen?
Ich wurde gefragt (lacht). Seit einigen Monaten bin ich immer wieder bei Veranstaltungen gewesen und habe dadurch die Leute näher kennengelernt. Die autonomen Referate werden einmal im Jahr bei einer Vollversammlung gewählt. Dort stellen sich dann verschiedene Kandidaten oder Teams auf. Es können alle Studenten aus dem LGBT*QIA+-Spektrum kommen und sind wahlberechtigt. Wir waren zu dritt ein Team und es gab deswegen nur eine Liste zur Abstimmung – fast schon nach nordkoreanischem Vorbild. LGBT*QIA+ steht übrigens für Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Trans*, Queer, Inter, Asexuell und das + für alle, die ich in der Aufzählung vergessen habe.
Was sind deine Aufgaben im Referat?
Wir bieten zweimal wöchentlich einen Rückzugsort beziehungsweise Treffpunkt. Außerdem sind wir eine Anlaufstelle bei Problemen, da wir Hilfe und Beratungsgespräche anbieten. Wir arbeiten mit Gruppen wie der Transberatung, der AIDS-Hilfe Kassel und vielen weiteren zusammen. Je nach Bedarf vermitteln wir die Leute weiter.
Es kommen aber auch Verwaltungsaufgaben, das Organisieren politischer Veranstaltungen, also von Vorträgen und Workshops, hinzu. Zum Beispiel ist in Brasilien mit der Wahl von Bolsonaro ein Rechtsextremist an die Macht gewählt worden. Wir dachten, dass sich dazu eine Veranstaltung mit Fokus auf das Queer-Spektrum anbieten würde. Wir wollen dabei von Brasilianern, die hier in Deutschland leben, erfahren, wie ihre Sicht auf die politische Entwicklung aussieht. Der Aspekt politische Bildung ist mir ziemlich wichtig.
Was ist denn für die Zukunft geplant?
Wir sind ein Team. Wir haben nicht nur coole Referent*innen, sondern auch coole Leute, die regelmäßig kommen und selber Sachen auf die Beine stellen. Beispielsweise planen wir für Mitte des Sommersemesters eine Veranstaltungsreihe zum Thema „Psychische Gesundheit“. Dabei konzentrieren wir uns auf die Umstände, denen Queere-Leute in Psychotherapie und Klinikaufenthalten begegnen können. Primär versuchen wir aufzuklären und den Leuten ein bisschen die Angst zu nehmen, um Vorurteile abzubauen. Wir machen natürlich auch Partys, zum Beispiel die Queer-Prom im K19.
Willst du hier in Kassel bleiben oder siehst du dich in einer größeren Stadt?
Ich gehe nach Berlin! Nein, keine Ahnung. Ich bin erstmal froh, in Kassel angekommen zu sein. Ich baue mir hier gerade ein Leben auf, was trotz kleiner psychischer Unstimmigkeiten ziemlich gut funktioniert. Ich mache es mir in den nächsten Jahren hier gemütlich und gucke dann, wie es weiter geht.