Von Sophie Bachmann

Svenja Schröder. Foto: Sophie Bachmann
Seit 2009 fördert der ehrenamtliche Verein Studio Lev junge Musicaltalente, inszeniert und entwickelt Stücke für und mit Jugendlichen. Gegründet wurde der Verein von Svenja Schröder, damals noch Produktdesign-Studentin an der Uni Kassel, die auch heute noch Produktionsleiterin ist. Nach Abschluss ihres Studiums wurde aus ihrer kleinen Theatergruppe ein eingetragener Verein, der sich auf die Arbeit mit Jugendlichen spezialisiert hat.
Nach der „Rocky Horror Show“ und dem „Kleinen Horrorladen“ inszenierte Studio Lev 2011 die Musicalversion von Frank Wedekinds „Frühlingserwachen“. Im Jahr darauf entstand in einer Reihe von Workshops ihr erstes eigenes Stück „Vodar Eiland“. Im August 2016 feierte „Grimm! – Die wirklich wahre Geschichte von Rotkäppchen und ihrem Wolf“ Premiere, ein Stück von Thomas Zaufke und Peter Lund, welches mit alten Vorurteilen gegenüber Wölfen, Menschen und Schweinen aufräumt. Im Interview spricht sie über Inspirationsquellen, Finanzierungsprobleme und Zukunftsträume.
Wie bist du zum Musical gekommen?
Es fing damit an, dass ich seit der fünften Klasse auf einer internationalen Schule war, wo wir jeden Sommer ein großes Musicalprojekt gemacht haben. Dort habe ich auch mitbekommen, wie eine Produktion abläuft und was alles dazugehört.
Außerdem hat mir mein Vater die „Rocky Horror Show“ gezeigt. Das hat mich so fasziniert, dass ich dachte: wenn ich je ein Musical mache, dann das!
Und was hat den Ausschlag gegeben, diesen Traum in die Tat umzusetzen?
An der Uni hatten wir damals ein Projekt, das nicht so gut lief wie erwartet. So kam es, dass ich 2009 ein freies Semester hatte. Der Zeitpunkt war also günstig, um so ein Projekt zu starten. Die Gruppe bestand damals aus Freunden oder Freunden von Freunden. Ein Casting gab es da noch nicht. Zum großen Teil sind das auch die Leute, mit denen ich heute noch zusammenarbeite. Wir hatten drei Aufführungen in der Kulturfabrik Salzmann und die waren alle komplett ausgebucht. Leider konnten wir aus rechtlichen Gründen keinen Eintritt verlangen, aber wir haben gemerkt, dass die Leute uns wirklich gut finden. Damals waren wir noch eher eine Art Künstlerkollektiv, seit 2013 sind wir offiziell als gemeinnütziger Verein im Vereinsregister eingetragen.
Das heißt, ihr finanziert euch durch Fördergelder?
Ja, das ist sehr schwierig. Ich versuche zwar möglichst viel Förderung von regionalen Partnern einzuholen, aber es war wesentlich einfacher, als wir alle noch im Studium waren. Einige von uns sind jetzt beim Staatstheater angestellt. Die haben ihr festes Einkommen. Aber für viele andere, die freie Künstler sind, ist es schwer, für uns zu arbeiten, da wir einfach keine Gage zahlen können.
Aber ich bin stolz darauf, dass die Fördergelder zumindest die Materialen für die Inszenierung decken und solche Dinge wie Anreisekosten und Mieten für Leute, die von weiter herkommen. Jede neue Produktion kostet etwa 30.000 bis 40.000 € ohne Personalkosten, die kriegen wir durch Fördergelder, Sponsoring und Crowdfunding gedeckt – und Ticketverkäufe und Merchandise natürlich. Ich habe eine große Liebe für Merchandising! Mein Lieblingsmerchandise war zum Beispiel für „Rocky Horror“, da haben wir aus Latex so kleine Nippelbuttons gemacht – ohne Witz! Alle Leute haben sich die gekauft und vorne ans T-Shirt gepinnt und sind dann die ganze Zeit so rumgelaufen. Ich glaube, das war unsere beste Idee bisher. Für „Grimm!“ brauche ich noch ein gutes Konzept. Aber es wäre auf jeden Fall toll, wenn wir so weit kommen, dass ich die Teilnehmer auch entsprechend entlohnen kann.
Wie wählt ihr eure Stücke aus?
Normalerweise macht einfach einer von uns den Vorschlag und die anderen sagen, ob sie sich das vorstellen können oder nicht. „Spring Awakening“ hatte zum Beispiel unser damaliger Regisseur vorgeschlagen, da er in New York war, während das Stück am Broadway entwickelt wurde. Und zufällig waren gerade die deutschen Rechte frei, da haben wir zugegriffen. Danach kam „Vodar Eiland“, was wir selber entwickelt haben. Das hat sich daraus ergeben, dass bei „Spring Awakening“ unsere Schauspieler sehr jung waren und genau das erlebt haben, was Wedekind in dem Stück beschrieben hat. Schade war, dass diese persönlichen Geschichten hinter den Rollen verschwunden sind. Deshalb haben wir einen Workshop gemacht, in dem aus den Erfahrungen der Schauspieler ein Stück entstanden ist. Dieser Prozess war auch wichtig, um ihnen etwas Songwriting und künstlerisches Verständnis an die Hand zu geben. Unser Anspruch an die Produktion ist durchaus vergleichbar mit professionellen Tourproduktionen. Es gibt für uns keine Entschuldigung, wenn wir es nicht so gut machen, wie wir können. Mit „Pfirsichbäckchen Mimi“, welches in der zweiten Workshopreihe entstanden ist, war es ähnlich. Das wäre dann unser Sommerprojekt für nächstes Jahr. Und bei „Grimm!“ hab‘ ich tatsächlich gesagt, dass ich das spielen möchte, und die anderen waren einverstanden.
Ihr spielt ja nicht gerade „Klassiker“…
Stimmt. Ich kann auch nicht genau sagen, wie das kommt, außer dass wir dadurch natürlich auch Leute ansprechen, die selbst nicht „klassische“ Jugendliche sind. Gender und sexuelle Orientierung sind dadurch zu Lieblingsthemen von uns geworden. Eigentlich spielt es keine Rolle, ob man eine männliche Rolle mit einem Mann oder einer Frau besetzt. Das war für uns von Anfang an selbstverständlich. Aber in vielen anderen Gruppen scheint das nicht so selbstverständlich zu sein. Ich glaube solche Themen bieten sich für uns an, weil wir Leute im Team haben, die genau diese Probleme erleben. Oftmals sind es auch sehr herausfordernde Themen, mit denen ich mich früher vielleicht nicht persönlich auseinandergetzt habe.
Wie sieht es mit euren Plänen für die Zukunft von Studio Lev aus?
Die WELL being Stiftung ist dabei, ein Jugendtheater zu entwickeln, in das wir mit einziehen sollen. Dadurch können wir nächsten Sommer zwei Stücke produzieren. Wir müssen die Frequenz erhöhen, und eine feste Location ist dafür sehr wichtig.
Außerdem wollen wir unsere Projekte und Workshops gerne deutschlandweit anbieten. Und es wäre toll, eine größere Auswahl an neuen Stücken zu entwickeln, da ich das Gefühl habe, es tut Menschen sehr gut, ihre Gefühle künstlerisch zu verarbeiten. Dazu ist leider selten genug Raum in Schulen. Ich würde auch gerne enger mit Musicalschulen zusammenarbeiten. Oftmals wissen Darsteller nicht, was sie nach ihrer Karriere machen sollen und fallen in ein Loch. In dem Moment, wo man weiß, dass man auch Coach werden kann, ist das etwas ganz Anderes. Dieser Aspekt fehlt in der Ausbildung oft.