„Hobbyschreiben klingt wie Malen nach Zahlen“
Interview mit der Schriftstellerin Maria Knissel (WS 2020/21)

Foto: Nina Skripietz

Von Aybüke Eken

Maria Knissel, Schriftstellerin, Leiterin und Gründerin der Textwerkstatt im Literaturhaus Nordhessen beantwortet Fragen über die Höhen und Tiefen des Schreibens und gibt einen Einblick in die erste Anthologie der Textwerkstatt mit dem Titel „Textprobe 1“. Sie spricht lieber von Leidenschaft als nur von einem Hobby, wenn es um das Schreiben geht.

Wie kam es zu der Idee, eine Anthologie zu veröffentlichen?
Wer ernsthaft schreibt, möchte in der Regel seine Texte veröffentlichen. Ich war selbst lange in der Textwerkstatt in Darmstadt und dort gab es  alle zwei Jahre eine Anthologie. Es passiert etwas mit einem, wenn man einen Text schreibt und diesen dann zwischen zwei Buchdeckeln sieht. Es ist ganz gut, diesen Prozess kennenzulernen, zu sagen: „Das ist jetzt der Text. So bleibt der jetzt“ – was sehr schwer ist, denn wenn der Text einmal gedruckt ist, dann ist er gedruckt. 

Für Autoren ist das bestimmt auch ein bewegender Fortschritt…
Wenn ich einen Roman schreibe, was ja eine sehr lange Arbeit ist, ist es das, worauf man die ganze Zeit immer hingearbeitet hat. Und auf einmal hat es dann eine Form und ein Titelbild. Es wird oft verglichen mit einer Geburt (lacht) und der Vergleich ist nicht verkehrt.

Wie wurde entschieden, welche Texte veröffentlicht werden?
Das haben die Leute selbst entschieden.

Und war das schwer für Sie? Ich könnte mir vorstellen, dass es mir schon schwerfallen würde.
(Lacht) Ich vermute, dass sie teilweise lange gebraucht haben, aber ich weiß es nicht genau. Auch das müssen Schriftstellerinnen und Schriftsteller lernen:  zu entscheiden, was ist jetzt das, was ich nach Außen geben möchte? Die Teilnehmer haben mich auch gefragt „Was soll es für ein Text sein?“ Ich habe gesagt: „Nehmt das Beste, was ihr habt.“

Und wie lange hat insgesamt die Bearbeitung der Anthologie gedauert, bis alle gesagt haben: „So, das ist es jetzt!“?
Ich glaube, angefangen haben wir im Februar 2020 und dann nahm es langsam seinen Lauf. Wir hatten eigentlich auf eine Lesung hingearbeitet, die im November stattfinden sollte, aber die musste dann leider abgesagt werden. Die werden wir aber sicher in 2021 nachholen.

Wie würde es denn ablaufen, wenn ich an der Textwerkstatt teilnehmen wollte? Müsste ich mich bewerben?
Im Moment ist die Textwerkstatt ausgebucht und das schon seit längerem. Ich überlege tatsächlich, eine zweite Gruppe aufzumachen, wenn wieder eröffnet werden kann. Es gibt schon etliche Leute, die mich angeschrieben haben. Ich würde es, glaube ich, bei der zweiten Gruppe anders machen und die Zeit begrenzen, in der die Leute dabei sein können. Einfach um ein bisschen Fluktuation reinzubekommen. Unsere jetzige Gruppe ist natürlich toll, aber es tut auch mal gut, wenn sich etwas ändert, so wie ein Austausch zwischen den beiden Gruppen. Das sind so Ideen, die mir im Moment im Kopf herumschwirren, aber bisher gab es keinen bestimmten Bewerbungsprozess.

Was sind das für Leute in der Textwerkstatt? Ist Literatur nur eine Leidenschaft oder ein Hobby für sie oder sind sie auch beruflich darin tätig?
Es haben mehrere mit Sprache zu tun, weil sie journalistisch arbeiten, ansonsten sind es Leute aus den verschiedensten Zusammenhängen. Wir sind relativ gemischt, geschlechtergemischt, altersgemischt, auch die Berufe sind sehr unterschiedlich. Ich nutze das Wort „Hobby“ nicht so gerne, denn „Hobbyschreiben“ klingt immer ein bisschen wie „Malen nach Zahlen“, finde ich. Daher gefällt mir das Wort „Leidenschaft“ schon besser und die brauchen Schriftsteller auch, sonst halten sie es gar nicht durch, länger an den Texten zu arbeiten. Es sind also Leute, die teilweise schon lange schreiben und Ehrgeiz haben, weiterzukommen. Wir haben zum Beispiel eine recht neue Teilnehmerin, die schon immer schreiben wollte, aber es einfach nicht geschafft hat, etwas zu Papier zu bringen. Und jetzt hat sie so langsam begonnen zu schreiben, was mich freut.

Was für Ziele haben die Teilnehmer? Was wollen sie mit Ihren Werken erreichen?
Das ist unterschiedlich. Während die eine, von der ich eben sprach, erst einmal die erste Hürde überwinden wollte, gibt es andere, die schon fertige Romane geschrieben haben und nun auf der Suche nach einem Verlag sind. Veröffentlichen wollen im Prinzip alle, in welcher Form auch immer.

Gibt es typische Schwierigkeiten im Schreibprozess, wie zum Beispiel Schreibblockaden?
Bei mir kommt eine Schreibblockade dann, wenn ich noch nicht tief genug in der Figur bin. Also ich muss lesen, lesen und recherchieren und ein Gefühl bekommen. Wenn ich dann irgendwann dieses Gefühl habe, kann ich schreiben. Es liegt letztendlich am Mangel an Informationen, d.h. nicht im Sinne von einfach nur Fakten, sondern in dem Sinne, ein Gefühl zu bekommen. Das ist bei mir ganz wichtig.

Wie lange dauert es denn bei Ihnen bis Sie ein Buch fertig haben?
Das ist unterschiedlich. Bis jetzt dauerte es zwei bis drei Jahre. Jetzt habe ich ein eher umfangreicheres Projekt vor, was nicht heißt, dass es ein dicker Roman wird, aber ich habe unheimlich viel Material. Es beruht auf einer wahren Geschichte und ist auch deshalb ein schwieriger Prozess. Dafür werde ich bestimmt länger brauchen. Ich habe schon zehn Anfänge oder so. Das schwierigste ist, die richtige Erzählhaltung zu finden. Aus welcher Perspektive erzähle ich? Erzähle ich im Rückblick? Welche Zeit nehme ich? Wenn ich das gefunden habe, komme ich in einen Fluss. Ich weiß, ich bin auf dem richtigen Weg, wenn die Figuren beginnen, sich zu verselbstständigen. Es ist dann schon ein fast magischer Moment, wenn die Figuren anfangen lebendig zu werden.

Ist das Schreiben Ihrer Meinung nach erlernbar?
Ich kenne Leute, die haben wenig Gefühl für Sprache. Wenn sie etwas verschriftlichen wollen, werden sie sehr formal und verwenden Begriffe, die sie sonst nicht gebrauchen würden (lacht). Ich glaube also, ein bisschen Begabung muss schon dabei sein, aber handwerklich ist  auch vieles erlernbar. Es ist ein Mix.

Haben Sie den noch einen Tipp zum Schluss für angehende Schriftsteller?
Am Anfang nicht zu viel Skrupel haben!

Vielen Dank für das nette Gespräch.

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