Von Johanna Spengler
Mit Herzblut schreibt Sabine Köttelwesch (*1943) über die Geschichte Kassels und berichtet über die Lebensgeschichten bemerkenswerter Frauen Nordhessens. Durch ihre genaue Recherche und ihr großes persönliches Interesse sind es doch bei weitem keine trockenen Biografien. Jede Geschichte bekommt durch facettenreiche Schilderung ihren ganz eigenen Schliff und man könnte fast meinen, dass Sabine Köttelwesch die Beschriebenen selbst kannte. In unserem Interview erzählte sie mir nicht nur, wie sie zum Schreiben kam, sondern auch, was sie an ihrer Arbeit besonders begeistert.
Erst Bibliothekarin, dann selbst Autorin. Wie kamen Sie dazu?
Schon als Kind hatte ich Träume und einer dieser Träume war es, einmal Bücher zu schreiben. Als ich dann in die Hessische Abteilung der Murhardschen und Landesbibliothek kam, begann ich Hessen erst richtig kennen zu lernen. Meine Träume hatte ich aber nicht vergessen. Irgendwann kam dann der Wartberg Verlag auf mich zu, um mit mir einen Bildband herauszubringen. Denn in der Hessischen Abteilung hatten wir, damals noch in Holzschränken versteckt, eine wunderbare alte Fotosammlung. Damals habe ich es mir noch nicht zugetraut, die Texte zu den Bildern selbst zu schreiben, also schlug ich vor, literarische Texte wie Gedichte den Bildern zu zuordnen. Der Band war dann 1992 ein großer Erfolg. Es gab ja so etwas damals noch nicht. Mit dem Erfolg des ersten Buches brachte der Wartberg Verlag dann weitere Bände heraus, in denen ich dann auch selbst Texte schrieb.
Haben Sie ein literarisches Vorbild?
Karin Reschke war damals mein Vorbild. Ihr Buch über Henriette Vogel und Heinrich von Kleist, in dem sie Fiktion und authentisches Material mischt, so dass ein lebendiges Bild ihrer Protagonisten entsteht, hat mich sehr beeindruckt. So wollte auch ich schreiben.
Besonders angetan haben es Ihnen die Lebensgeschichten der Frauen in der Vergangenheit Nordhessens und Kassels, warum?
Da ich ja wirkliches Interesse an den Lebensläufen von Frauen habe, stellte ich fest, dass die Frauen in der landeskundlichen Literatur – und nicht nur dort – oft recht schlecht wegkommen. Fast immer sind sie von Männern beurteilt und beschrieben worden und noch dazu durch deren gesellschaftliche und moralische Brille. Ich wollte sie einmal aus der Sicht einer Frau von heute beschreiben, durch unsere moralische und gesellschaftliche Brille. So versuche ich, den Frauen mit meinen Mitteln regional ein bisschen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
In Ihrem Projekt „11 Frauen – 11 Jahrhunderte“ stellen sie gleich 11 Kasseler Frauen vor. Wie haben Sie dieses große Projekt verwirklicht?
Zur 1100-Jahrfeier von Kassel hatte ich die Idee die Kasseler Frauen zu porträtieren, die für ihre Stadt viel erreicht haben. Ich nahm all meinen Mut zusammen und stellte die Idee auf einer Open Space Konferenz vor. Jetzt oder nie dachte ich (lächelt). Und die Idee stieß tatsächlich von Anfang an auf Interesse. Mit zwei Freundinnen, Elke Böker und Petra Mesic, zog ich das Ganze auf und es ist eine ganz große Sache geworden. Vier Jahre haben wir daran gearbeitet und sind auch von der Stadt sehr unterstützt worden. Um das Buch und die Veranstaltungen, die es jeden Monat zu einer der Frauen gab, zu finanzieren, mussten wir jedoch selbst Sponsoren suchen. Ich glaube, vielen Kasselern ist jetzt bewusster, welche starken Frauen in ihrer Stadt gelebt haben – und noch leben. Alleine hätte ich es nicht geschafft, wir Drei haben es mit der Unterstützung von vielen netten Menschen verwirklichen können.
Denken Sie, dass Frauen von heute auch noch etwas von den Frauen aus diesem Buch lernen könnten?
Ja das denke ich. Diese Frauen hatten ja sehr viel schlechtere Bedingungen als wir sie heute haben. Heute stehen uns alle Berufe offen, wir sind großenteils finanziell unabhängig und können unser Leben so gestalten, wie wir es möchten. Das war früher alles nicht der Fall und trotzdem haben Frauen so viel erreichen und gestalten können. Ich schreibe ja über Frauen, die sehr privilegiert waren, dennoch hatten auch sie mit den unterschiedlichsten Schwierigkeiten zu kämpfen. Besonders spannend ist es für mich zu sehen, wie die jeweilige Frau ihr Leben gemeistert hat. Die eine hat gekämpft, während eine andere resigniert hat. Wir können stolz auf die Frauen sein, die uns unsere Rechte erkämpft haben. Hätten sie nicht so gekämpft, würden wir heute nicht so gut dastehen.
Gibt es eine Frau, über die Sie geschrieben haben, die Sie besonders gern einmal getroffen hätten?
Ja, Margarethe von der Saale, die linke Landgräfin. Landgraf Philipp der Großmütige heiratete sie neben seiner rechtmäßigen Ehefrau. In der Literatur kam sie recht schlecht weg, da letztlich die Teilung Hessens auf sie und den Kampf um die Versorgung ihrer Kinder aus der morganatischen Ehe mit Landgraf Philipp zurückgeht. Dabei sehe ich sie als Opfer ihrer Mutter und letztlich auch ihres Ehemannes. Ich hoffe, dass ich ihr Bild ein wenig revidieren konnte.
Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit am meisten?
An einem Aufsatz arbeite ich meistens ein halbes bis dreiviertel Jahr, und nur daran. Ich lese mich dann in die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse der jeweiligen Zeit ein und versuche, ausführliches Material – nicht nur Sekundärliteratur, sondern auch Archivalien – über die jeweilige Frau und die Menschen, mit denen sie zu tun hatte, zu finden und durchzuarbeiten. Dabei fahre ich gern an die Orte, an denen die Frauen gelebt haben. Dort versuche ich, mich in sie hineinzuversetzen und nachzuspüren, wie sie sich gefühlt haben müssen. Ich bin einfach glücklich, wenn ich auf den Spuren dieser Frauen bin. Auch Vorträge finde ich gut, weil es schön ist, anderen mündlich davon zu erzählen und dazu Bilder zu zeigen.
Ich lerne ja auch immer dazu, früher fiel es mir schwer, Vorträge zu halten, aber inzwischen habe ich an Sicherheit dazugewonnen – learning by doing. (lacht) Und Frauen hören meine Geschichten gerne – und ich glaube Männer auch.
Was war die schönste Reaktion die Sie auf einen Ihrer Vorträge bekamen?
Ach, bei einem Vortrag über Margarethe von der Saale kam jemand zu mir und sagte „Das sind Sie ja!“ Damals hatte ich mich so in sie hineinversetzt, dass man anscheinend glauben konnte, Margarethe selbst berichte über ihr Leben (lächelt).
Webseite des Prolibris-Verlags, wo „11 Frauen-11 Jahrhunderte“ erschien