„Ich bin halt der Alte für alles“
Interview mit Michael Codina Koch, Inhaber der Comic-Galerie in Kassel (SoSe 2018)

Foto: Akkoyun

Von Nail Akkoyun 

Michael Codina Koch, Jahrgang 1962, betreibt seit 1988 die „Comic-Galerie“. Wir trafen uns in seinem Laden und unterhielten uns über Comics, das Sammeln und Comic-Verfilmungen.

Wenn man dir vor 20 Jahren gesagt hätte, dass gleich zwei „Guardians of the Galaxy“ Filme erscheinen werden, die nicht nur kommerziell erfolgreich, sondern auch von den Kritikern gefeiert werden würden, wie hättest du reagiert?
„Guardians of the Galaxy“ gehören zu meinen Lieblingsfilmen, weil da einfach alles stimmt. Die Musik, die Machart und die Charaktere sind brillant. Ich hätte allerdings nicht damit gerechnet, dass das so ein Erfolg wird, da es ja schon ein eher unbekanntes Superhelden-Team ist. Gehofft hat man so was aber schon immer und es war eigentlich auch absehbar. Durch erste Erfolge von Comics, die als Fernsehserie veröffentlicht wurden, war klar, dass irgendwann auch solche Filme kommen. Große Unternehmen wie Disney haben das natürlich auch gemerkt. Die haben später ja auch die Marvel Studios gekauft.

Wie siehst du als langjähriger Leser die Unterschiede zwischen Comics und Filmen?
Ich kenne Leute, die sich manchmal aufregen. Die stören sich daran und meinen „Der sieht nicht so aus, warum hat er jetzt die Augen und die Haare?“ Mein Gott! Ich hingegen freue mich einfach, dass die auf der Leinwand zu sehen sind. In den Comics gibt es ja auch ständig Neustarts, bei denen Veränderungen stattfinden. Das wird dann bei Kinofilmen einfach anders interpretiert. Ich freue mich darüber, dass solche Filme entstehen und als Geschäftsmann freue ich mich natürlich noch viel mehr.

Habt ihr durch die ganzen Filme denn einen Wandel im Kundenkreis bemerkt?
Der erste große Umschwung kam schon, und das ist mindestens zwanzig Jahre her, mit den Mangas. Damit wurden auch viel mehr jüngere Kunden angesprochen als noch mit den franko-belgischen Alben wie „Tim und Struppi“. Deshalb haben wir auch eine riesige neue Zielgruppe bekommen: die Frauen. Durch die Serien und Filme sind die weiblichen Fans dann auch auf Superhelden umgesprungen. Jetzt gibt es Serien wie „Arrow“ oder „The Flash“ und plötzlich kommen junge Frauen und sagen „Ich möchte mehr Hintergrund, ich möchte wissen, wo der herkommt und wie das entstanden ist“. Auch nach „Deadpool“ sind die Leute verrückt. Der ist zwar nicht meins, aber er ist mächtig erfolgreich und ich verkaufe die Comics reichlich.

Wie kamst du persönlich erstmals in Berührung mit Comicheften?
Oh Gott, das ist ewig her, das kann ich dir ganz genau sagen. Meinen ersten Comic hab ich 1968 bekommen, ein Micky Maus Heft, welches mir mein Onkel geschenkt hatte. An die Story kann ich mich sogar noch erinnern. Das war eine Krimi-Geschichte mit Micky und Goofy. Das hab ich Jahre später dann auch nochmal gekauft und mir an die Wand gehängt. Ich glaube, dass so etwas unheimlich prägt.

Woher kam später die Idee, einen eigenen Comic-Laden zu eröffnen?
Comics haben mich schon immer mehr gereizt als Bücher, ich war nie so der Lesefuchs. Auf Flohmärkten habe ich dann Leute kennengelernt, die riesige Stände hatten und zu dem Zeitpunkt schon Comics sammelten. Das hat mich sofort fasziniert und dann habe ich ebenfalls damit angefangen. So lernte ich Freunde kennen, die dasselbe Hobby hatten. Einer von denen hatte den ersten Comic-Laden in Kassel aufgemacht, damals noch am Lutherplatz. Der Besitzer war ein guter Freund, der sich irgendwann leider umgebracht hat. Den Laden hat dann später sein Onkel, der mit Comics überhaupt nichts am Hut hatte, übernommen. Wäre das nicht passiert, hätte ich auch nie einen eigenen Comic-Laden eröffnet.

War die Eröffnung dann vielleicht auch irgendwo eine Art Tribut an deinen Freund?
Eher war es ein Tribut an meinen Freund, dass ich damals noch keinen Comic-Laden eröffnet hatte. Denn ich hätte ihm nie Konkurrenz machen wollen. Zu der Zeit waren die Läden aber auch noch ganz anders. Früher gab es nur Heftchen, die wochen- oder monatsweise verkauft wurden. Wenn du da gesammelt und mal etwas verpasst hast, dann konntest du das fehlende Heft nur antiquarisch bekommen. Deswegen haben mein damaliger Partner und ich auf Flohmärkten schon sämtliche Dinge gehortet und kistenweise zur Seite gestellt. 1988 haben wir dann den Laden in der Frankfurter Straße eröffnet. Ich hatte einfach die Chance, mein Hobby zum Beruf zu machen. Es ist nicht so, dass ich Reichtümer ansammle, es ist auch nicht immer einfach. Aber ich mache das jetzt seit dreißig Jahren, und ich kann sagen, dass es in dieser Zeit nicht einen Tag gab, an dem ich nicht gern zur Arbeit gegangen bin!

Wie war die Resonanz in Kassel? Hat sich schnell ein fester Kundenkreis etabliert?
Stammkunden hatten wir eigentlich schon immer, das ging recht schnell. Als wir 1994 dann anfingen, „Magic: The Gathering“-Karten mit ins Programm zu nehmen, hat es unheimlich geboomt und ordentlich Umsatz in die Kasse gespült. Da waren samstagmorgens fünfzig Leute in dem Laden und vor der Tür, das ging vom Platz her eigentlich gar nicht. Irgendwann stand ich da und dachte mir „Was machst du jetzt?“. Ich habe damals auch meine Frau kennengelernt, die dann meinte, dass wir in die Innenstadt gehen sollen. 1996 sind wir dann hier in die Opernstraße gezogen. Es gab auch nicht viele Läden, die eine solche Größe hatten und wir hatten auch schnell Rollen- und Kartenspiele, einen Games Workshop, sowie Science-Fiction und Fantasy-Romane. Denn ich war stets davon überzeugt, dass sich die Interessen da oft überschneiden und wollte immer alles anbieten können.

Vermisst du manchmal die alte Zeit, als Comic-Laden eher Nische waren und es Dinge wie Amazon noch nicht gab?
Sicherlich ist das Internet ein Problem. Aber ich denke, dass wir alle einen wirklich guten Job machen. Ich kenne auch niemanden, der so viel Ahnung von Tabletop (Strategiespiele mit Miniaturfiguren) hat wie mein Kollege Peter Brostmeyer. Auch meine Schwester ist als gelernte Buchhändlerin bei allem komplett auf der Höhe. Und ich bin halt der Alte für alles. Das Ganze hier soll ja auch irgendwo ein Treffpunkt sein; wir haben Kunden, die hier täglich sind, Kaffee trinken und sich unterhalten. Das ist schon ein Stück weit Familie.