Judit Rozsas, Jahrgang 1971, ist im Hauptberuf Lehrerin an einer Schule, nebenberuflich seit 2002 in Kassel als freischaffende Künstlerin tätig. Zudem ist sie längjähriges Mitglied des „Kunstbalkon e. V.“, einer der ältesten Produzentengalerien Kassels, und seit 2011 dessen erste Vorsitzende. Der Hauptteil ihrer künstlerischen Arbeiten besteht in Gemälden (v. a. Landschaftsbildern). Darüber hinaus erstreckt sich ihre künstlerische Tätigkeit auf die Tanzperformance.
Von Eileen Schreckenbach (S), Farid-Alexander Jusofie (J)
J.: Der Kunstbalkon versteht sich als Austauschforum freier Kunstschaffender aus „Kassel und der Welt“ und als Vermittler ihrer Arbeit an ein Publikum. An welchen aktuelleren Projekten lässt sich dieser Anspruch gut zeigen?
Der Kunstbalkon hat zurzeit sechs feste Mitglieder, die sich aktiv an Organisation, Ausstellungen und Austausch beteiligen. Wir haben Kontakte zu anderen freischaffenden Künstlerinnen und Künstlern im In- und Ausland. Immer wieder ergibt sich ein Projekt, bei dem es heißt: „Wir machen zusammen eine Ausstellung. Wir laden die ein und werden eingeladen.“ Im Oktober 2017 hat der Kunstbalkon im schweizerischen Härkingen ausgestellt. 2018 werden vier Kunstschaffende aus Härkingen zu uns kommen und Mitte bis Ende Juli an unserem neuen Standort in der Frankfurter Str. 62 Werke zeigen. Diese sollen erst unmittelbar davor in Kassel entstehen und Bezüge zu dieser Stadt aufweisen. Eine Schweizer Künstlerin hat mich gebeten, Laub von Beuys-Eichen zu sammeln. Es wird sich zeigen, was sie damit macht. Der Austausch speziell mit anderen Kunstschaffenden aus Kassel und Umgebung ist uns auch sehr wichtig. Wir schauen, wer was macht, was sich entwickelt. Es kommt zu Gesprächen, es ergeben sich Inspirationen, neue Vorhaben, gemeinschaftliche Ausstellungen. Im März 2017 mussten wir aus unserem Ausstellungsraum in der Sickingenstraße ausziehen, weil die Miete zu hoch wurde. Zum Abschied haben wir dort gemeinsam mit künstlerisch tätigen Fördermitgliedern unseres Vereins und weiteren uns verbundenen Kunstschaffenden Arbeiten ausgestellt.
S.: Warum sind sie nebenberuflich als freischaffende Künstlerin tätig? Einerseits bin ich freischaffende Künstlerin, andererseits Lehrerin an einer Schule. Man kann also sagen, ich führe eine Art Doppelleben. Der Beruf als Lehrerin gibt mir Sicherheit. Die Kunst treibt mich an, ist mein Lebenselixier. Ich kann mir die Zeit gut einteilen, die ich ihr widme. Weil ich nicht abhängig von Verkäufen meiner Werke bin, entsteht eine gewisse Freiheit.
S.: Was bedeutet Kunst für sie?
Kunst ist für mich ein Bereich außerhalb des Funktionalen. In meinem Alltag als Lehrerin sieht das anders aus. Hier muss der Tag von Beginn an strukturiert sein. Aber in der Kunst existiert für mich so etwas nicht. An der Kunst schätze ich u. a. die Freude an Farben, neue Farben zu entdecken, Dinge zu beobachten, diese in ein Spannungsverhältnis zu bringen und dann auf Papier oder Leinwand.
S.: Können sie ihre künstlerischen Absichten in Malerei und Tanz gleichermaßen verwirklichen?
Ich beschäftige mich in beiden Bereichen nicht zuletzt mit räumlichen Problemstellungen. In der Landschaftsmalerei geht es mir derzeit auch darum, das Bedeutungsgefälle zwischen Vorder- und Hintergrund umzukehren. Zu diesem Zweck hebe ich den Hintergrund besonders hervor. In meinen Tanzperformances geht es um die Intuition der Bewegung und darum, den konkreten Raum produktiv zu nutzen.
J.: Als Malerin interessieren sie also besonders auch räumliche Fragestellungen. Welche Rolle kommt in ihren Gemälden dem Licht zu?
Licht ist mir auch ganz wichtig. Was mich momentan sehr fasziniert, ist die Landschaft im Gegenlicht, der Einfluss des relativ flach von hinten einfallenden Lichts auf die Wahrnehmung einer landschaftlichen Raumsituation.
J.: Aus einigen ihrer Gemälde scheint das Interesse hervorzugehen, die stimmungshafte Ausdeutung des veränderlichen Augenblicks zu gestalten. Liege ich damit richtig?
Ja genau. Das sieht man gut auch bei dieser Arbeit (zeigt darauf). Hier kommt das Licht wieder von hinten. Das Motiv ist der Hirschgraben in der Karlsaue. Entstanden ist dieses Landschaftsgemälde während der documenta 13. In der Aue waren damals Liegen aufgestellt. Auf einer davon saß ich und fing das Gegenlicht ein, auch den Moment. Ich zeichne grundsätzlich vor Ort oder mache vor Ort Fotos. Meist erfasse ich die Sujets aus zwei leicht gegeneinander verschobenen Perspektiven. Und das sind dann diese zwei Momente, die im Atelier in einer Arbeit verschmolzen werden.
J.: Bei diesem Landschaftsbild sind die Spiegelungen auf der Wasseroberfläche fraglos das Wichtigste, der eigentliche Bildgegenstand.
Solche Spiegelungen bewegen sich zwischen Abstraktem und Figurativem. Wenn man die konkrete Landschaftskulisse im oberen Teil des Bildes abdeckt, ist der größere Rest abstrakt. Allein durch den oberen Bildbereich kann man nachvollziehen, dass es sich um eine Landschaft handelt.
J.: Welche Projekte haben sie in naher Zukunft geplant?
Ich möchte weitermachen mit den Serien kleinformatiger Landschaftsbilder und mich mit jedem Sujet intensiv auseinandersetzen. Sicher sind für mich auch künftig der Raum, das Licht, das Momenthafte und das Spannungsverhältnis von Figurativem und Abstraktem besonders wichtig. Was mich ebenfalls noch beschäftigen wird, ist die Frage: „Wie weit kann ich mit dem Zufall arbeiten?“ Z. B. habe ich in diesem Gemälde den Zufall eingebunden in Farbverläufe. Außerdem will ich mich weiter auseinandersetzen nicht nur mit dem eigentlich Malerischen, sondern auch mit dem Zeichnerischen in der Malerei. An größeren Projekten steht einmal der erwähnte Austausch des Kunstbalkons mit den Schweizer Kunstschaffenden bevor. Und ich alleine plane für 2018 eine Ausstellung bei Kordula Klose in ihrem „Café Bahnhof Fürstenwald“. Sie ist Bildhauerin und organisiert Kunstausstellungen, auch mit Arbeiten von Kasseler Künstlerinnen und Künstlern.
S.: Haben sie auch einmal eine künstlerische Krise, in der nichts gelingt?
Ja, zum Beispiel dann, wenn ich eigentlich keine Zeit dafür habe und dennoch unbedingt etwas Neues malen will. Aber ich habe gelernt, auch mal Pausen einzulegen. Danach nähere ich mich einem neuen Motiv, indem ich es zunächst zeichne und dabei naturalistisch oder sogar detailgetreu wiedergebe. Dadurch erspüre ich, was mich wirklich daran interessiert.
S.: Gibt es gute und schlechte Kunst?
Auf jeden Fall. Das bemerke ich auch bei eigenen Werken und wird mir durch Rückmeldungen zum Beispiel bei Atelierrundgängen bestätigt. Dennoch muss man ein Kunstwerk spezifisch betrachten. Man kann also nicht pauschal sagen, was gut ist und was nicht. Hierbei spielen Faktoren wie Material, Präsentation, Ausführung und der Kontext eine große Rolle.
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