
Ruangrupa. Foto: Saleh-Husein
Von Alexander Roller
Karoline Köber ist die Kommissarische Leiterin der Abteilung Kommunikation und Marketing bei der documenta und Museum Fridericianum gGmbH in Kassel. Die gebürtige Berlinerin arbeitet seit Januar 2021 bei der documenta und steuert die Gesamtabläufe der Abteilung. Zusammen mit ihrem Team, bestehend aus derzeit neun weiteren Personen, kümmert sie sich um die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie um das Marketing und die Social-Media-Arbeit für die kommende documenta fifteen im nächsten Jahr.
Wodurch wurde Ihr Interesse an der Kunst geweckt?
Ich bin in einem sehr kunst- und kulturinteressierten Haushalt aufgewachsen. Meine Eltern kommen beide aus dem Bereich Journalismus und waren schon immer an Kunst interessiert. Daher nahmen sie mich schon früh auf Ausstellungen mit. Das hat mich auf jeden Fall geprägt und sich auf die visuelle Wahrnehmung meiner Umwelt ausgewirkt. Es regt andere Denkprozesse an als die klassische Bildung in der Schule. Meine Eltern haben in ihrem Freundeskreis einige Künstlerinnen und Künstler, die ich schon früh kennengelernt habe. Nach einem Praktikum beim Sandmann als Kulissenbauerin habe ich dann Kunstgeschichte studiert und anschließend in Berlin im Kulturbereich gearbeitet. Ich bin da einfach reingewachsen. Als Kind wollte ich ursprünglich Moderatorin werden. Das Zuhören und Fragenstellen ist eine sehr große Parallele zu meinem jetzigen Beruf.
Wie sieht es denn in Ihrem jetzigen Beruf gerade mit der Planung für die documenta fifteen aus?
Corona hat auf jeden Fall dazu beigetragen, dass unser Zeitplan ganz schön durcheinandergebracht wurde. Nun sind jedoch wieder recht gut dabei und haben im Sommer die Website www.documenta-fifteen.de gelauncht. Seitdem arbeiten wir stetig an deren Ausbau sowie an einer barrierearmen Version. Wir versuchen, einen möglichst breiten Zugang zur documenta fifteen zu schaffen. Ende September startet dann unser Ticketverkauf.
Corona begleitet uns nun schon einige Zeit. Wie wirkt sich das auf die Arbeit aus?
Was zunächst immer als problematisch erscheint, ist die räumliche Trennung durch Corona. Die meisten Menschen im Kunst- und Kulturbereich waren daran gewöhnt, sich persönlich zu treffen. Auch wir mussten auf digitale Treffen umstellen und „zoomen“ seitdem weltweit. Unser Radius liegt zwischen Jakarta, Havanna, Kassel und Nairobi. Dabei liegt die besondere Hürde darin, Zeiten zu finden, die für alle Beteiligten verträglich sind. Letztendlich hat sich für mich die räumliche Trennung ab einem bestimmten Zeitpunkt natürlich angefühlt. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass wir so teilweise besser vorankommen, auch wenn es natürlich nicht die so wichtige menschliche Begegnung ersetzen kann. Derzeit ist ruangrupa in der Stadt, wodurch endlich ein persönlicher Austausch möglich ist.
Könnte ein erneuter Anstieg von Coronafällen, gerade auch im Hinblick auf die documenta fifteen, problematisch sein? Wie bereiten Sie sich vor?
Zunächst einmal kann man sagen, dass wir ein umfassendes Sicherheits- und Hygienekonzept ausarbeiten werden, welches verschiedene Blöcke von Maßnahmen einschließen wird, wie zum Beispiel kluge und sichere Wegeleitsysteme, erhöhte Reinigungsintervalle für Sanitäranlagen und Oberflächen, die Bereitstellung von Mund-Nase-Bedeckung und Handhygiene sowie klar definierte und reibungslos funktionierende Handlungs- und Kommunikationsketten bei Verdachtsfällen. Alles wird in einem umfassenden Maßnahmenkatalog münden. Die Besucherinnen und Besucher sollen sich schließlich während ihres Ausstellungsbesuches sicher fühlen.
Apropos Besucher: Wie würden Sie die Auswirkungen durch die Pandemie auf die Besucherzahlen der documenta fifteen einschätzen? Ein langer Stillstand von Veranstaltungen könnte doch zu einer Steigerung der Zahlen führen.
Wir hatten 2017 knapp 900.000 Besucher in Kassel. Das war der absolute Rekord in der Geschichte der documenta. Natürlich wäre es wünschenswert, wieder eine ähnliche Zahl zu erreichen, um eine Sichtbarkeit für die kuratorische Praxis von ruangrupa und all die teilnehmenden Künstlerinnen, Künstler und lumbung-member zu gewährleisten. Wichtiger ist aber, dass die documenta stattfinden kann. Von daher streben wir nicht nach einem neuen Besuchsrekord, sondern freuen uns, dass wir 2022 eröffnen dürfen. Ob die Leute dann schon wieder mehr reisen, bleibt abzuwarten.
Angenommen die Lage würde sich zuspitzen, hätten Sie dann auch ein digitales Angebot geplant?
Wenn man sich die Praxis von ruangrupa anschaut, wird man feststellen, dass diese auf Interaktion und Teilhabe beruht. Demnach ist es schwierig, eine rein „digitale documenta“ zu planen und das ist auch mit Sicherheit auszuschließen. Dennoch wird es ein kleines digitales Angebot geben. Ein Beispiel hierfür wäre unsere siebenteilige Gesprächsreihe „lumbung calling“. Zu dieser werden verschiedene Akteure eingeladen, sich über einzelne lumbung-Werte auszutauschen. Außerdem sind auch digitale Führungen geplant. Hierbei soll es möglich sein, einen Tourguide zu buchen, der durch die Ausstellung führt und versucht, das Ausstellungsgeschehen einzufangen. Fragen können parallel dazu gestellt werden.
Bei ruangrupa handelt es sich ja um das indonesische Künstlerkollektiv, das erstmals die documenta kuratiert.
Genau, ruangrupa ist das erste Kollektiv, das die documenta leitet. In Kassel geht es ruangrupa vor allem um die lokale Verankerung in der Stadt, also um die Bedürfnisse der Kasselerinnen und Künstler. „Wie wollen wir unsere documenta gemeinsam gestalten?“ ist dabei eine Leitfrage. Das alles ist ein kollektiver Prozess und dementsprechend sind Treffen sehr wichtig. Mittlerweile arbeiten wir mit über 25 Kasseler Initiativen, Unternehmen und Künstlerinnen in den unterschiedlichen Bereichen zusammen – als Kooperation im Rahmen eines künstlerischen Projektes oder im Bereich des Marketings zum Beispiel. Dieses Netzwerk wird definitiv noch weiterwachsen und in andere Bereiche der Organisation greifen.
Abschließend noch eine letzte Frage: Auf was freuen Sie sich persönlich am meisten bei der documenta fifteen?
Ganz grundsätzlich freue ich mich auf die persönlichen Begegnungen mit unseren Künstlerinnen, mit ruangrupa und unseren lumbung member sowie auf deren Arbeiten und Arbeitsmethoden. Ich freue mich außerdem, dass so viele Kasseler schon jetzt in viele Prozesse der Organisation und einzelne künstlerische Projekte miteinbezogen wurden. Ich glaube, das wird eine sehr persönliche documenta, die sehr nahbar und lokal verankert sein wird.