„Ich kann immer wieder dazulernen“
Museumspädagoge Klaus Wölbling gibt einen Blick hinter die Kulissen seiner Arbeit am Stadtmuseum (WS2018/19)

Von Tabea Axt

Klaus Wölbling, Jahrgang 1953, ist der Museumspädagoge des Stadtmuseums. Dort trafen wir uns, um über seine Arbeit, das Museum und Kassels versteckte Geschichte zu sprechen.

Was ist Ihnen lieber: Öffentlichkeitsarbeit oder Museumspädagogik?
Meine Arbeit macht mir insgesamt Spaß und beides hängt miteinander zusammen. Museumspädagogik ist die Vermittlung von dem, was im Haus ist, und damit die Leute hierherkommen, mache ich die Öffentlichkeitsarbeit.
Lieber mache ich aber die Museumspädagogik, weil man dann ein Echo bekommt. Es macht mir Spaß, den Leuten von der Geschichte Kassels zu erzählen. Wenn ich ihnen etwas erzählen kann und sie mir sagen „Das ist ja interessant“, finde ich das gut – bei der Öffentlichkeitsarbeit gibt es nicht diesen direkten Kontakt.

Wie sind Sie Museumspädagoge geworden?
Es gibt den Studiengang Museumspädagogik seit ein paar Jahren an einigen Universitäten, aber die Meisten sind auf Umwegen in den Beruf gekommen. Ich habe zunächst auf Lehramt mit den Fächern Kunst und Sozialkunde studiert, später Geschichte. Im Rahmen des Studiums und danach habe ich für die HNA, das Heimatmuseum in Wolfhagen und hier im Stadtmuseum gearbeitet. Für einen Tag der offenen Tür der Stadt Kassel habe ich eine Ausstellung über die Arbeit der SPD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung gestaltet. Später wurde ich für über zwölf Jahre Geschäftsführer der Fraktion. Dann wollte ich den Beruf wechseln und im Stadtmuseum sollte die Museumspädagogik ausgebaut werden. Ich habe mich beworben, habe die Stelle bekommen und bin Museumspädagoge geworden. Das heißt: Ich habe keine direkte Ausbildung als Museumspädagoge, aber meine Ausbildung als Lehrer mit den Fächern Kunst, Geschichte, Sozialkunde, meine Arbeit bei der Zeitung und meine Arbeit im Rathaus sind gute Voraussetzungen, dass ich diesen Job vielseitig gestalten kann.

Haben Sie ein Lieblingsausstellungsstück?
Zum 19. Jahrhundert gibt’s mehrere Bereiche, die mir gefallen, weil wir dort auch viele Originale haben, im Gegensatz zur Abteilung über die Residenzstadt, wo nur noch wenige alte Dinge erhalten sind. Aber ein Lieblingsausstellungsstück habe ich nicht. Ich wette, dass Sie mir irgendein Exponat zeigen könnten, das ich noch nie bewusst zur Kenntnis genommen habe. Ich weiß auch längst noch nicht alles und kann immer wieder dazulernen. Das finde ich toll.

Wie entstehen Konzepte für Ausstellungen oder Führungen?
Ich bin mitverantwortlich dafür, wie Ausstellungen konzipiert werden, aber hauptsächlich entwickeln das unsere wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen. Sie beziehen mich ein, aber die Konzeption von Ausstellungen entsteht nicht bei mir. Ich bringe die Sicht der Besucher mit ein.
Themenführungen entstehen in der Tat in meinem Kopf. Die Dauerausstellung umfasst über elfhundert Jahre Geschichte, da kann man bei einer Überblicksführung nicht alles erzählen. Daher bieten wir zu speziellen Themen Führungen an, bei denen man zum Thema die jeweiligen Ausstellungsstücke oder die Abteilungen herausstellt.
Beispielsweise haben wir jetzt die Sonderausstellung „1918. Zwischen Niederlage und Neubeginn“, wo man manche Bereiche dieser Ausstellung mit Führungen draußen verknüpfen kann. Zu dem Thema Wohnen gibt es eine Führung durch die Rothenberg Siedlung, die in dieser Zeit entstanden ist und in der Ausstellung erwähnt wird. So entstehen, angeregt durch Teile in der Ausstellung, neue Themenführungen.

Sie sprachen gerade von der Sonderausstellung „1918. Zwischen Niederlage und Neubeginn“, die sowohl im Stadtmuseum als auch im Hessischen Landesmuseum gezeigt wird. Weshalb hat sie zwei Standorte?
Man hat festgestellt, dass es vom Hessischen Landesmuseum, das die Geschichte von Hessen und von Kassel darstellt, viele Verbindungen zu uns gibt, die wir ebenfalls die Geschichte Kassels darstellen. Und da haben wir die Idee gehabt, ein gemeinsames Projekt zu machen. Da bot sich das Thema 1918 an, das sich ja im vergangenen Jahr zum hundersten Mal gejährt hat. Also hat man dieses Thema aufbereitet und dann war klar, das ist eigentlich ein Thema, zu dem beide Museen etwas beitragen können.

Warum beziehen viele Ihrer Führungen das Stadtgebiet draußen mit ein?
Wir stellen zwar im Museum die Geschichte der Stadt dar, aber die Stadtgeschichte hat ja in Kassel. stattgefunden. Kassel sieht zwar durch die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und das, was man in den nachfolgenden Jahrzehnten aufgebaut hat, so aus, wie es jetzt aussieht. Aber die geschichtlichen Orte sind noch vorhanden.
Wenn ich dann einer Gruppe zeige: „Hier, an dieser Stelle hat das und das stattgefunden und da seht ihr noch die Mauerreste oder die Art, wie die Häuser zueinander stehen“, sagen ganz viele Leute: „Oh, das hab ich noch nicht gewusst.“ Man kann auf den zweiten Blick in der Stadt noch ganz viel zur Geschichte sehen. Wenn man nur durchgeht und daran denkt, was man jetzt einkaufen muss, dann sieht man nichts. Ein Ziel meiner Arbeit ist es deswegen auch, die Leute aufzufordern, genauer hinzuschauen.

Kassel hat eine große und vielfältige Museumslandschaft. Welchen Platz hat das Stadtmuseum in diesem ‚Museumskosmos‘?
Das Stadtmuseum ist vor 40 Jahren gegründet worden mit der Absicht: Die Stadt Kassel hat so eine interessante Geschichte, aber durch die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg ist vieles davon verlorengegangen und man sieht die Geschichte nicht mehr. Daher war der Gedanke: Wenn wir ein Stadtmuseum hätten, würde diese tolle Geschichte von Kassel wieder lebendig gemacht werden. So hat nach der Gründung durch einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der erste Museumsleiter Karl-Hermann Wegner das Stadtmuseum nach und nach aufgebaut. Unter dem jetzigen Leiter Dr. Kai Füldner ist es dann zu dem geworden, was es nun ist.