
Markus Knierim. Foto: Sarah Engelhard
Von Sarah Engelhard
Markus Knierim (Jg. 1962) betreibt seit Mitte der 1990er Jahre das Theaterstübchen. Im November 2015 wurde ihm gemeinsam mit dem Verein Kafka der Kulturförderpreis der Stadt Kassel verliehen. Im Interview spricht er über Zeiten, in denen er alles hinschmeißen wollte, unvergessliche Momente und Wünsche für die Zukunft.
Welchen Beitrag möchtest du mit deinem Jazz-Blues-Club zur Kasseler Kulturszene leisten?
Ich bin stolzer Kasseläner und in unserer Stadt passiert kulturell schon sehr viel. Klar, haben wir das Kulturzelt, aber das geht nur wenige Wochen im Jahr. Mein Ziel ist es, Kassel als Kulturpunkt bei den Künstlern und ihren Agenturen in den Mittelpunkt zu rücken und dadurch den Kasselern die Möglichkeit zu bieten, Clubgigs von Künstlern wie Till Brönner in einem intimen Kreis von 150 Leuten zu erleben.
Das Theaterstübchen ist mittlerweile international bekannt. Wie hast du es geschafft, dir auf der ganzen Welt einen Namen zu machen?
Das Ganze brauchte einen sehr langen Atem. Alles hat vor 25 Jahren angefangen und wurde zunächst lokal, regional, dann national bekannt. In den letzten fünf Jahren gab es einen richtigen Schub. Jetzt haben wir rund um den Globus einen guten Namen und sind bei Clubtouren regelmäßig dabei. Der Club hat seit 1996 drei Umzüge hinter sich, davon bin ich seit 16 Jahren in der Jordanstrasse. Seit mittlerweile vier Jahren haben wir von September bis Anfang Juni jeden Tag, bis auf Heiligabend und Neujahr, geöffnet, veranstalten über 180 Konzerte im Jahr und haben zusätzlich die Discoabende und das Tatortgucken. Seit neun Jahren gibt es im März den JazzFrühling, jeden Herbst die BluesWoche mit internationalen Künstlern, die ganze Saison unregelmäßig aber durchlaufend, die Reihe „FrauenStimmen“ mit nationalen und internationalen Künstlerinnen und auch außerhalb dieser Reihen wird es immer mehr.
Internationale Künstler oder doch lieber aus der Region?
Die Mischung macht’s. Ich habe mir selbst den Auftrag gegeben, die lokale Kultur zu fördern. 60 Prozent der Künstler kommen aus der Stadt. Die aktuell (2016) neueste Reihe „Kassels Kulturelle Vielfalt“, wurde im Schnitt jeden Abend von über 100 Gästen besucht. Das spricht für sich. Mir ist es sehr wichtig, dass Musiker, die am Beginn ihrer Laufbahn stehen, genauso behandelt werden wie Weltstars. Sie spielen unter den gleichen professionellen Bedingungen und haben das gleiche Equipment zur Verfügung. Es macht mir Freude zu sehen, wie sie dann über ihre Grenzen hinaus wachsen und das Publikum begeistern.
Die Weltstars haben sicherlich hohe Gagen. Wie finanziert sich das Theaterstübchen ohne Subventionen der Stadt?
Man muss für Kultur leben. Das alles ist nur möglich durch Querfinanzierungen. Die regelmäßigen Discoabende und das Tatortgucken finanzieren somit teilweise den LIVE Betrieb mit. Natürlich sind die GEMA Gebühren, die KSK, die Ausländersteuer und andere Kosten sehr hoch, aber ich kenne es nicht anders, als finanziell immer auf Messers Schneide zu sein.
Gab es Momente, in denen du alles hinschmeißen wolltest?
Ja klar. Vor ungefähr zwölf Jahren hatte ich die Nase voll und absolut keine Lust mehr. Da macht man Kultur und wird nur bestraft. Ich war zu blauäugig. Es ging so weit, dass ich die Briefe der GEMA gar nicht mehr öffnete. Freunde haben damals an mich und das Theaterstübchen geglaubt und den Verein Kafka gegründet. Zwei Jahre lang liefen die Veranstaltungen dann über diesen Verein.
Was hat es mit den Jazz-, Blues-, und Kulturtaxen auf sich, mit denen du auf Kassels Straßen zu sehen bist?
Seit elf Jahren verzichte ich auf Alkohol und Zigaretten. Das Geld investiere ich seitdem in Oldtimer. Das ist auch eine Form, Kulturgut zu erhalten. Mit den „Taxen“ hole ich die Künstler vom Bahnhof oder Flughafen ab und bringe sie dann ins Hotel und natürlich zum Auftritt ins Stübchen. Das ist einzigartig und die Künstler erinnern sich gerne daran. Natürlich zieht diese Form des Transports immer viele Blicke auf sich und ist gute Werbung für den Club.
Muss man verrückt sein, um so etwas seit 20 Jahren zu machen?
Klar, man muss auf eine positive Art verrückt sein. Es ist eine Art meiner Lebensphilosophie.
Welcher Moment in den letzten Jahren hat dich am meisten bewegt?
Ron Carter, eine lebende Legende am Bass, sagte nach seinem Konzert: „This is a magic place.“ Er wollte gar nicht aufhören zu spielen. Und auch Till Brönner sagte nach seinem letzten Konzert im Theaterstübchen: „Das ist ein Klub, in dem man auftreten MUSS.“ Das ist wie ein Ritterschlag und mir mehr wert als alles andere.
Neulich stand in der HNA: Du lebest deinen Traum, aber am Ziel wärst du noch lange nicht. Was ist dein Ziel?
Mein Ziel ist es, das Niveau zu halten und in ferner, ferner Zukunft gesund sagen zu können: Das war’s!