Von Alexander Nolte
Winfried Jenior ist 61 Jahre alt und Inhaber des gleichnamigen Antiquariats und Verlags. Bei einem Interview in seinen Antiquariatsräumen erzählt er über seine beruflichen Anfänge und seine Tätigkeiten als Antiquar bzw. Verleger. Ferner gibt er Aus-kunft über die Zusammensetzung seiner antiquarischen Sammlung.
War es schon immer ein Wunsch von Ihnen später ein Antiquariat zu betreiben?
Nein, ich war zwar ein begeisterter Besucher von Antiquariaten. Das Ganze hat sich aber durch einen Zufall ergeben. Eigentlich wollte ich Lehrer werden. So studierte ich von 1972 bis 1978 an der Universität Kassel Anglistik und Kunst. Dann folgte die anderthalbjährige Zivildienstzeit im „Dritte-Welt-Laden“ an der Wilhelmshöher Allee. Zufälligerweise hat ein Antiquitätenladen ganz in der Nähe geschlossen. Der Besitzer suchte nun nach einem Abnehmer für seine Bücher. Ich habe ihm 2000 Bücher günstig abgekauft. Dann habe ich mich mit den Büchern auf den Flohmarkt in Kassel gestellt. Erst dachte ich, die Bücher würden immer weniger werden, doch ganz im Gegenteil: Sie wurden immer mehr. Zusätzlich bekam ich noch Bücher geschenkt. 1980 eröffnete ich schließlich mein erstes Antiquariat in der Lassallestraße in Kassel. Später ist aus dem Antiquariat auch noch der Verlag hervorgegangen. 2013 bin ich dann mit meinem Antiquariat in die Marienstraße 5 umgezogen.
Wodurch zeichnet sich ihr Antiquariat heute aus?
Die Schwerpunkte meines Antiquariats sind Literatur (Belletristik), Philosophie und andere Geisteswissenschaften sowie Kunst mit Fotografie. Bedingt durch das Verlagsprogramm enthält meine Sammlung auch spanische Literatur- und Kultur-geschichte. Ich habe meine antiquarische Sammlung zwar noch nie durchgezählt. Es müssten aber ca. 12.000 katalogisierte und mindestens noch einmal genauso viele nicht katalogisierte Bücher sein. Neben dem Bücher An- und Verkauf ist mein Antiquariat auch ein prädestinierter Ort für Lesungen. Eine regelmäßige Lesung findet immer (abgesehen von der Sommerpause) am zweiten Montag jeden Monat unter dem Titel „Literarischer Salon“ in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus Nordhessen statt. Pro Monat gibt es meist auch noch eine weitere Veranstaltung. Darüber hinaus gibt es Ausstellungen im Laden und ich bin mit meinem Antiquariat auf Messen, wie z.B. dem „Fotobuch-Festival“ in der Kasseler Documenta-Halle vertreten.
Was sind die Schwerpunkte ihres Verlags?
Der „Verlag Winfried Jenior“ veröffentlicht schwerpunktmäßig Bücher über Spanien, Kunst und Kultur, Hessen sowie Schriften zum Nationalsozialismus in Nordhessen. Das erste Buch der Spanienreihe meines Verlags hieß „Südlich von Granada“ von Gerald Brenan und ich habe es selbst aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt. Auch die Fotos für die Buchcover mache ich selber und verbinde so mein Interesse für Spanien und Fotografie.
Was ist das Wertvollste, das Sie von ihrer antiquarischen Sammlung zum Verkauf anbieten?
Na das wechselt natürlich. Aber das Wertvollste, was ich zurzeit habe, ist eine “Naturwissenschaftlich-Ökonomische Enzyklopädie“ von Johann Georg Krünitz aus dem 18. Jahrhundert. Die Enzyklopädie umfasst ca. 200 Bände mit Kupferstichen und ist für ihr Alter gut erhalten. Im Zusammenhang mit dem Wort „wertvoll“ muss ich sagen, dass es bei Büchern nicht nur auf den finanziellen Wert, sondern auch auf den inhaltlichen Wert ankommt. Ich habe tausende Bücher, die von interessanten Autoren sind, aber wenig kosten.
Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf besonders?
Das Schöne an der Arbeit mit Büchern ist, das man immer wieder neue Leute kennenlernt und neue Kontakte entstehen. Auch der Umgang mit schönen Büchern und schönen Illustrationen macht mir Spaß. Ein Ereignis, was mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, ist eine Begegnung mit dem Schriftsteller, Fernsehjournalist und Dokumentarfilmer Georg Stefan Troller. 2006 hat dieser in der Lassallestraße 15, praktisch in meinem Laden, gelesen. Die Stimme von Troller ist mir schon seit meiner Kindheit aus dem Fernsehen vertraut.
Haben Sie auch schon etwas Skurriles bei ihrer Arbeit erlebt?
Ja, Sie glauben gar nicht, was man für kuriose Fundstücke beim Bücherankauf entdeckt. So fand ich z.B. in einem Buch einen in Silber gefassten Zahnstocher, der sich ein- und ausfahren lässt. Oder in einem anderen Buch war ein „privater Erpresserbrief“. Dieser stammt aus dem Jahr 1935 von einer Frau aus Kassel. Sie forderte einen verheirateten Mann, mit dem sie offenbar eine zuletzt kriselnde Affäre pflegte, dazu auf, sich mit ihr zu treffen. Er sollte ihr nämlich ein Armband zurückzugeben, das sie ihm zuvor geschenkt hatte. Druckmittel der Verfasserin ist die Androhung, Kontakt zur Gattin des Mannes aufzunehmen, falls er nicht zum Treffen erscheint.
Was ist Ihnen als Antiquar besonders wichtig?
Als Antiquar ist mir besonders wichtig, dass man Bücher vor dem Untergang bewahrt und neuen Lesern zur Verfügung stellt. Die Bücher würden sonst oft weggeschmissen. Ein weiterer Sinn des Antiquariats ist es, Bücher aufzubewahren, die woanders nicht mehr zugänglich sind. Besonders wichtig ist mir neben dem Online-Verkauf, auch Bücher im Laden anzubieten. Viele Antiquariate machen nur noch einen Lagerverkauf. Da wird eine Halle angemietet und die Bücher werden online verkauft und verschickt. Mir ist wichtig, dass man die Bücher bei mir ansehen und in die Hand nehmen kann.
Vielen Dank für das Interview!