„Mein Vater ist typisch lybisch.“
Interview mit Keil Li Divon, Drag Queen (WS2018/19)

Von Karin Golami

Keil Li Divon (Jg. 1996) flüchtetet Anfang 2017 von Libyen nach Deutschland, um in Freiheit leben zu können. Wegen der muslimischen Bedeutung ihres Namens möchte sie ihren bürgerlichen Namen nicht verraten. Keil Li ist vom Beruf Drag Queen und somit auch die einzige offizielle lybische Drag.

Was ist eine Drag Queen und was tut sie?
Drag ist Kunst. Diese Kunst stammt quasi aus der Zeit von Shakespeare und die Abkürzung „drag“ an sich steht für dressed resembling a girl. Die Männer verkleideten sich damals als Frauen, da die Frauen im Theater nicht auf die Bühnen durften. Eine Drag Queen ist also ein Mann, der sich als Frau verkleidet und andere unterhält mit Comedy, Gesang, Tanz und mehr. Mein Dragcharakter übertreibt gerne. Ich unterhalte meine Mitmenschen sehr gerne. Ich liebe es, andere zum Lachen zu bringen, zu reden und zu performen, deshalb bin ich eine geborene Entertainerin.

Wie bist du dazu gekommen, dich so auszuleben?
Eigentlich wollte ich Make-up Artist werden. Ich schminke gerne andere und mich selber auch. Und gleichzeitig wollte ich auch schon immer singen. Als Drag kann ich geschminkt sein und währenddessen singen.

Fiel es dir schwer, dich so zu akzeptieren, wie du bist?
Ich habe mich immer akzeptiert. Es fiel mir leicht durch meine Mutter. Sie sagte mir immer: „Du bist richtig, wie du bist!“ Leider ist mein Vater typisch lybisch. Ein Freund von ihm sagte ihm damals, dass ich auf den Straßen sehr weiblich auftreten und mich wie ein Mädchen benehmen würde. Nachdem er das hörte, hat er mich direkt geschlagen, als er mich sah. Ich rede eigentlich nicht gerne über meinen Vater. Aber mit dieser Erfahrung bin ich stärker geworden. Ich muss zugeben, damals habe ich das Make-Up benutzt, um meine blauen Flecken zu verstecken. Mit Concealer hab ich einiges abdecken können. Und mit 15 Jahren hat dann alles angefangen und seinen Lauf genommen.

Fühlst du dich als Mann oder als Frau wohler und wie reagiert dein Umfeld auf dich?
Als Drag habe ich mehr Selbstbewusstsein, aber als Mann fühle ich mich auch wohl. Ich bin gender-fluid. Das heißt, dass mich Merkmale des Männlichen, aber auch des Weiblichen kennzeichnen. Mein Dragstil ist eben mit viel auffälliger Schminke verbunden. Als Drag lebe ich meine feminine Seite sehr stark aus. Ich will nicht, dass die Leute denken, dass ich eine Frau bin. Ich bin eine Drag Queen! Und ich weiß, dass ich auffalle. Meine Umwelt reagiert meistens sehr nett. Ich bin eine Attraktion für viele. Es gibt auch einige Menschen, die nicht so offen sind und abweisend reagieren. Das beste Beispiel hierfür wäre eben leider mein Vater.

Wie lange brauchst du für dein Make-Up und welches benutzt du?
Für mein Make-Up brauche ich manchmal schon so zwei bis drei Stunden. Es ist auch sehr teuer, denn ich benutze Marken wie Anastasia Beverly Hills, Jeffrey Star, Morphe und mehr (lacht bescheiden). Viele Mädchen und Frauen fragen mich das. Sie lieben mein Make-Up.

Inwiefern beeinflussen Drags die Gesellschaft?
Wenn man mich kennenlernt, dann kann man später seinen Freunden davon erzählen. Es gibt einige, die mich sehen und gleich Vorurteile haben. Sie denken, ich will Aufmerksamkeit oder ich sei transsexuell und gefangen im falschen Körper. Mir wurde auch schon ganz oft Sex angeboten von irgendwelchen Männern. Ich ändere gerne die Meinung dieser Leute. Als Drag sehe ich zwar aus, wie eine Puppe, aber ich habe eine gute Seele. Drags sind prägend für die Akzeptanz von Menschen, die nicht hetero sind. Es ist offensichtlich wie Drags in der Gesellschaft auffallen. Mit uns will man Bilder machen, wir werden zu Events eingeladen und mehr. Und wenn Menschen sich mit mir unterhalten, merken sie, dass ich nett bin und dass Drags ein wichtiger Bestandteil der LGBTQ-Community (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender and Queer) sind. Ich schaffe Raum für mehr Akzeptanz, denn es gibt bis heute Leute, die Menschen nicht mögen oder anerkennen, weil sie „anders“ sind.

Welche Nachricht würdest du der Welt gerne mitteilen?
Frieden für alle ohne Vorurteile. Jeder hat Rechte. Nur die Gegenwart und die Zukunft zählt. Ich habe viel erlebt und ich möchte nicht traurig sein. Dragsein bringt mir Frieden. Jeder soll so leben, wie er will, ohne andere zu verletzen. Man soll sich gegenseitig akzeptieren und tolerieren. Jeder sollte sich Freunde suchen, die einem gut tun und nichts vorschreiben wollen. Jeder soll in Frieden leben und wir werden irgendwann eine Änderung in den arabischen Ländern sehen. Frieden wird kommen. Ich bin und bleibe optimistisch.