„Mir geht es um die Beziehung zu den Kindern“ – Iris Riedmüller über ihre Arbeit beim Circus Rambazotti (WS 2020/21)

Foto: Circus Rambazotti

Von Justine Janke

Iris Riedmüller war 1990 Mitgründerin des Circus Rambazotti in Kassel und leitet ihn seitdem. Heute beantwortet Sie Fragen zu ihrer Arbeit bei dem Kinder- und Jugendzirkus. Sie spricht über Erfolge, und darüber, was ihr Kraft gibt und sie motiviert.

Was hat Sie dazu bewegt, den Circus Rambazotti zu gründen?
Die Idee, einen Zirkus zu gründen, hatte der Sozialarbeiter Erwin Alex auf dem Abenteuerspielplatz Wartekuppe. Wir hatten dort nur Brennpunktkinder und die Grundidee war, dass wir das Zirkusangebot auf dem Abenteuerspielplatz so attraktiv machen können, dass auch normale Mittelschichts-, Bildungsbürgertums- und Oberschichtskinder dazu stoßen, die das bisherige Clienté aus einer Ghettoisierung rausholen.

Was gefällt Ihnen am Circus Rambazotti besonders?
Mir geht es um die Beziehung zu den Kindern. Mit ihnen zusammen Ideen zu verfolgen und Produktionen zu machen, gefällt mir.

Sie leiten den Zirkus bereits seit 30 Jahren, was waren für Sie Highlights Ihrer Laufbahn?
Es gab einige Tourneen, die wirklich großartig waren. Vor allem in Paris oder Brüssel. In Brüssel durften wir damals in einem alten stillgelegten Hauptbahnhof auftreten. Ebenfalls hatten wir eine ausverkaufte Show bei Flic Flac, wo wir Leute zurückschicken mussten, weil sie uns sonst die Bude eingerannt hätten.
Es gab viele schöne Momente, oft sind es auch die mit den Kindern. Als wir mit dem Haus hier angefangen haben, kam mal ein sechsjähriger Junge zu mir, drückte mir zwanzig Pfennig in die Hand und sagte: „Damit du das Zirkushaus fertig bauen kannst!“.
Wenn Menschen aus der Show gehen und sagen, dass sie jetzt wieder an das Gute glauben oder sie beseelt sind, weiß man, dass sich die Arbeit gelohnt hat. 

Auf Ihrer Homepage findet man das Zitat „Mein Ziel ist es, die Welt ein wenig zu verbessern“, ist Ihnen das gelungen?
Ein wenig, ja. Ich denke wir haben den Kindern schon geholfen, die Pubertät besser zu verstehen und den Eltern, ihre Kinder besser zu verstehen. Ebenfalls denke ich, dass einige Kinder und Jugendliche bei uns herausfinden konnten, was sie für Interessen im Leben haben, um diese dann auch zu verfolgen. Es sollte nicht nur darum gehen, die Besten zu fördern, sondern auch darum, als Gruppe gemeinsam Produktionen zu machen. Das halte ich auch insgesamt für gesellschaftlich wichtig.

Nicht immer läuft während einer Vorstellung alles nach Plan.
Ist schon einmal etwas Dramatisches passiert?
Etwas dramatisch war tatsächlich, dass ein selbstgebauter Feuerkorb, welcher auch vor der Show überprüft worden ist, dann trotzdem während der Vorführung in Richtung Aufführer abgeflogen ist. Er hat dann versucht diesen aufzuheben, um den Boden zu schonen und sich dann dabei fast verletzt. Der Schock saß tief und wir haben dieses Gerät dann aus dem Programm genommen.

Gab es Kinder mit Ausnahmetalenten, die eine große Karriere hingelegt haben, wo der Circus Rambazotti ein Sprungbrett darstellte?
Wir haben hier einigen bei der Vorbereitung auf die Prüfung zur Artistenschule geholfen. Paul Krügener hat gerade die Artistenschule in Brüssel absolviert. Der ist seitdem er vier Jahre alt war hier gewesen. Aisha Samuel ist, nachdem sie bei Rambazotti war, auf die Schauspielschule nach Köln gegangen und Filmschauspielerin geworden. Josephine Zintel ist hier als Luftartistin sehr fit gewesen und mit 14 Jahren auf die Artistenschule nach Berlin gegangen. Sie hat das dann aber nicht zu ihrem Beruf gemacht, sondern Psychologie studiert. Im Moment haben wir gerade Luise Hoffmann auf der Artistenschule in Rotterdam und Justin Müller auf der Artistenschule in Tilburg. Es haben aber auch einige in den sozialen Sektor gewechselt, haben Lehramt studiert oder sind Erzieher geworden. Ein paar sind auch Architekten geworden. Somit sind viele kreative und auch soziale Karrieren hier gestartet.

Wie bedrohlich ist denn die Corona-Pandemie für den Circus Rambazotti?
Wir haben sehr treue Mitglieder, die weiterzahlen, obwohl sie nicht kommen dürfen. Wir haben das zu Anfang der Pandemie kommuniziert und unsere Mitglieder gebeten nicht auszutreten, weil wir den Zirkus sonst hätten dicht machen müssen. Wir haben ein Malbuch gemacht und rumgeschickt, Nikolausstäbe verpackt, einen Adventskalender gemacht und wir arbeiten an der Produktion der nächsten Kampagnen. Also wir geben uns sehr viel Mühe und versuchen so, uns zu halten. 

Was wünschen Sie sich in Zukunft für den Zirkus?
Ich wünsche mir eine institutionelle Förderung seitens der Stadt, damit die Arbeit auf mehr Schultern verteilt werden kann. Ebenfalls sind die sozialen Sektoren unterbezahlt und ich finde, dahingehend müsste man die Gesellschaft umbauen. Das ist zwar ein langes Projekt, fände ich aber absolut sinnig. Dass ein Bankmanager, der Leute um ihr Geld bringt, ein höheres Ansehen hat, als Jemand, der mit Kindern arbeitet, ist nicht zu verstehen.
Es braucht viel mehr Angebote in sozialen Einrichtungen wie Kinderzirkussen, Kindertheatern oder Malschulen. Das sollte aber nicht so irrsinnig wettkampforientiert sein. Ich finde, wenn jemand eine Kunstradnummer fährt, bei der Kür jedoch die Hand falsch hält und null Punkte bekommt, ist das keine Jugendarbeit, die wir brauchen. Wir müssen Menschen stärken, unterstützen und zu kreativen Geistern erziehen.

Website des Circus Rambazotti