
Foto: Osna Tarzi
Sabine Buchholz (Jg. 1966) ist seit 2001 leidenschaftliche Museumspädagogin und Leiterin der Abteilung „Vermittlung und Bildung“ bei der mhk. (Museumslandschaft Hessen Kassel). Im Gespräch gewährt sie mir einen Einblick in ihre Tätigkeit und ihre Ansichten zu Kindern in Museen.
Von Osna Tarzi
Die MHK ist breit gefächert, wo genau sind Sie tätig?
Orte, für die ich in der Vermittlungsarbeit zuständig bin, sind zum Beispiel der Bergpark Wilhelmshöhe, natürlich mit dem Herkules und den Wasserspielen. Dazu zählt auch Schloss Wilhelmshöhe als Hauptort mit der Gemäldegalerie, die etwa 1000 Werke fasst. Dann noch Schlossmuseen wie der Weißensteinflügel, die Löwenburg oder Schloss und Park in Wilhelmsthal, die Orangerie, das Marmorbad, das Hessische Landesmuseum und die Neue Galerie, aber auch Schloss Friedrichstein in Bad Wildungen.
Wie war Ihr Weg in den Beruf?
Museumspädagogik kann man heute studieren, aber das gab es zu meiner Zeit noch gar nicht. Ich habe in Lüneburg Angewandte Kulturwissenschaften studiert, habe zunächst im Harz in einem kleinen Museum gearbeitet, aber auch längere Zeit in der Erwachsenenbildung. Besonders wichtig ist, sich für Menschen und Inhalte zu begeistern, vieles ist learning by doing. Aber pädagogische und didaktische Vorkenntnisse zu haben ist natürlich hilfreich.
Auf welche Zielgruppe ist ihre Arbeit ausgerichtet?
Der Kinderbereich ist natürlich wichtig, aber die Museumspädagogik in Deutschland hat keine sehr lange Tradition und deshalb denken viele, dass es nur mit Kindern zu tun hätte und das ist überhaupt nicht der Fall. Wir bieten neben vielen anderen Angeboten auch Führungen mit demenziell erkrankten Menschen an und beschäftigen uns mit der Integrationsarbeit. Wir haben zum Beispiel wieder mit Führungen für Sehbehinderte begonnen und überlegen, wie man Inhalte in leichter Sprache vermitteln kann.
Haben Sie denn viele junge Besucher?
Es sind einige Schulklassen, die die Einrichtungen besuchen, aber es könnten mehr sein. Gerade Schulkinder sollten deutlich häufiger kommen, finde ich. Das sind aber ganz interessante politische Fragen. Ich möchte mal einen Vergleich mit der Museumspolitik in England ziehen. Dort wird viel Wert darauf gelegt, dass alles kostenfrei ist und Kinderprogramme besonders angekurbelt werden. Solche Kinder- und Familienprogramme könnte man hierzulande politisch viel mehr fördern.
Haben Sie auch Angebote für Familien?
Wir haben in jedem Quartal auch Angebote für Familien. So veranstalten wir etwa im Hessischen Landesmuseum seit 2016 Familientage. Da müssen wir variabel einsetzbare Aktivitäten planen, die für Kinder und Erwachsene interessant sind. Kinder und ihre Eltern können an Führungen, aber auch an Rallyes teilnehmen. Auch für die kleineren Kinder im Vorschulalter gibt es Bastelangebote und Porzellanmalen.
Wie bereiten sie sich auf diese Projekte vor?
Gerade bei neuen Ausstellungen erhalten wir Kataloge, die wir in kurzer Zeit lesen müssen. Das sind dicke Wälzer und von der Antike bis 1918 ist alles dabei. Wir müssen immer auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand sein. Da gehört sehr viel harte Arbeit dazu und Organisation. Es ist nicht nur Malen und Basteln, denn eigentlich muss jemand, der Führungen mit Kindern macht, sehr viel Hintergrundwissen mitbringen.
Welche Inhalte werden bei solchen Aktivitäten vermittelt?
Die zentralen Fragen sind ja, wie Menschen früher gelebt haben. Wissen wir, was sie gedacht und gefühlt haben? Es ist natürlich schwierig, das herauszufinden. Es kommt aber darauf an, Kindern und Jugendlichen zu beantworten „Was hat das mit mir zu tun?“, sonst ist das für Kinder und Jugendliche nicht interessant.
Was sind das für Eltern, wenn man sie denn kategorisieren kann, die ihre Kinder in Museen bringen?
Das sind überwiegend die Bildungsbürger. Aber unser Auftrag ist, alle Kinder an Kultur heranzuführen. Wir können nicht warten, dass die Eltern kommen, wir müssen sie einladen und mit Werbung erreichen. Wenn die Leute nur wüssten, dass es nicht so abgehoben ist, wie sie denken, würden sie eher kommen. Es gibt noch immer eine Hemmschwelle.
Worauf kommt es in der Zusammenarbeit mit Kindern im Museum an?
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Kinder das sehr annehmen. Es kommt darauf an, wie du sie abholst. Das Wichtigste ist, dass du sie ernst nimmst. Das spüren die Kinder nämlich sehr genau. Und wenn man mit ihnen auf Augenhöhe spricht und ihnen deutlich macht, dass sie alles sagen können, was sie denken und es kein richtig und falsch gibt, dann entdecken sie Mut zur Kultur.
Das Schöne bei Kindern ist ja, dass sie so ursprünglich sind, dann aber auch wieder so gnadenlos (lacht). Und wenn man mit Kindern zusammenarbeiten möchte, dann braucht man ein Herz für sie, so kitschig es auch klingen mag. Das ist viel wichtiger als jede Qualifikation.
Haben Sie einen Wunsch was Kinder und ihre kulturelle Bildung anbelangt?
Ich wünsche mir, dass mehr Kinder Museen besuchen würden, die die Förderung im Elternhaus nicht bekommen. Das versuchen wir u. a. durch Projekte. Dafür sind aber Berge von Anträgen nötig und bei einigen Projekten kommt nur eine Handvoll Kinder. Dennoch haben wir über die Förderung von „Kultur macht stark“ oder „Abenteuer Museum“ in den letzten Jahren viele Projekte in Kooperation mit Künstlern gemacht. Solche kreativen Projekte brauchen wir noch viel mehr.