„Ziemlich skurril, daher interessant“
Interview mit Paul Serov, Student und Teamleiter des Museums für Sepulkralkultur (SoSe2021)

Von Mirjeta Dullaj

Foto: M. Dullaj

Paul Serov (Jahrgang 1990) ist Gymnasiallehramtsstudent für Englisch und Geschichte an der Universität Kassel und arbeitet seit 2016 als studentische Hilfskraft im Besucherservice des Museums für Sepulkralkultur in Kassel. Er leitet das Aufsichtsteam und gibt Führungen durch die Ausstellungen des Hauses. Das Sepulkralkulturmuseum ist ein Museum zur Kultur des Todes, des Sterbens, des Bestattens sowie des Trauerns. Heute sprechen wir über seine Erfahrungen bei der Vermittlungsarbeit.

Was bedeutet für dich Tod, was stellst du dir darunter vor?
Ich bin katholisch erzogen worden. Außerdem habe ich natürlich auch Jenseitsgeschichten mitbekommen und bestimmt auch als Kind eine Zeit lang daran geglaubt. Seitdem ich mich aber selbst damit auseinandergesetzt habe, ist mir klar, dass Tod Nichtexistenz bedeutet. Also so wie man in die Existenz geboren wurde, so ist man danach nicht mehr existent. Also einfach wieder nichts.

Hat sich deine Einstellung zum Tod geändert, seitdem du hier arbeitest?
Meine Einstellung zum Tod wahrscheinlich nicht. Meine Einstellung zum Leben hat sich generell im privaten Leben aufgrund von Konfrontation mit dem Tod innerhalb der Familie geändert. Durch die Arbeit habe ich vielleicht ein bisschen mehr Sensibilität gewonnen, wenn es darum geht, über den Tod zu reden.

Gibt es Trauerseminare oder Feiern? Oder gibt es psychotherapeutische Betreuung im Museum?
Es ist keine Anlaufstelle, wo Besucher sich Hilfe suchen können. Es ist ein Ort, wo man sich über seine eigene Sterblichkeit Gedanken machen kann. Wir stehen verschiedenen Besuchergruppen auch beratend zur Seite, aber nicht einzelnen Personen im Trauerfall. Trauer ist schon Bestandteil der Museumsausstellung, aber für Trauerbewältigung gibt es andere Anlaufstellen, auf die wir verweisen können.
Es gab schon Schülerinnen und Schüler, die während einer Führung angefangen haben zu weinen. Das dann ist es eher Aufgabe der Begleitperson zu intervenieren. Natürlich weiß man nie, mit welchem Hintergrund oder Kontext die Besucher hierherkommen. Bei einer Gruppe von ca. 30 Personen kann es jederzeit emotional werden, da man die Gruppe auch ein Stück weit abholen möchte. Das aber totzuschweigen ist nicht richtig. Empathie ist gut und natürlich und kein Zeichen von Schwäche.

Welche Intention verfolgt das Museum für Sepulkralkultur?
Das können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Haus bestimmt besser erklären. Um es aber kurz zu fassen: Wir sind ein kulturhistorisches Haus, das den Anspruch hat, die Wissenschaft mit der Musealität zu verbinden. Zentral ist aber die Vermittlung des Themas der Sepulkralkultur. Ein Thema, welches in der Gesellschaft gerne mal an den Rand gedrängt wird. Wir versuchen dies mit einer wissenschaftlichen und künstlerischen Art und Weise näherzubringen. Wir haben auch oft Kooperationen mit Künstlerinnen und Künstlern, die dieses Thema in ihren Ausstellungen widerspiegeln.

Mit welcher Altersgruppe ist es am schwierigsten zu arbeiten?
Als Lehramtsstudent fällt mir der Umgang mit Schülerinnen und Schülern recht leicht, aber auf der anderen Seite kann es manchmal schwierig sein, eine uninteressierte Gruppe abzuholen. Wenn zum Beispiel eine Seniorengruppe herkommt und an einer Führung teilnimmt, haben die Senioren ein bestimmtes Interesse oder verfolgen ein Ziel, worauf ich eingehen kann. Es ist schwierig jeder Einzelperson gerecht zu werden, weil ich nicht weiß, inwieweit sie sich mit dem Thema schon auseinandergesetzt hat. Dadurch kann es mit einer Seniorengruppe auch schwierig werden, weil sie mit bestimmten Erwartungen hierherkommen.

Welche Kulturen werden ausgestellt?
Neben dem größten Teil unserer Dauerausstellung, der sich mit der Sepulkralkultur des Christentums auseinandersetzt, haben wir noch einen Teil der Dauerausstellung, wo unterschiedliche Religionen und Riten thematisiert werden. Darunter fallen die anderen monotheistischen Religionen und andere Kulturen. Zum Beispiel gibt es chinesische Kulturkreise, wo die Religion gar nicht so eine große Rolle spielt und die Bestattungsriten nicht so genau festgelegt sind, oder sehr stark von Region zu Region und innerhalb der Personengruppen variieren kann.

Gibt es eine Totenkultur, die dich besonders interessiert?
Besonders interessant finde ich das, was von dem abweicht, was ich selbst schon kenne. Beispielsweise Zoroastrier, die bis vor einigen Jahrzehnten Luftbestattungen durchgeführt haben. Der Leichnam wird an die Luft gelegt und den Raubvögeln überlassen. Wir kennen Feuer-, Erd- oder Wasserbestattungen, aber eine Luftbestattung ist etwas Neues, was ich mir selbst vorher nicht vorstellen konnte. Ziemlich skurril, daher interessant.

Das Museum bietet auch Kindergeburtstage an: Wie stellt ihr den Zusammenhang her?
Wir bieten vier unterschiedliche Kindergeburtstage rund um den Glauben, Tod und Aberglaube an. Es gibt großartige Fragebögen und Rallyes. Beispielsweise bieten wir einen „Geistergeburtstag“ an, wo es um Geistergeschichten und Aberglaube geht. So setzen wir den grundlegenden Gedanken, dass es etwas Unsterbliches gibt, was den Tod überdauern könnte. Allerdings geht es im weitesten Sinne darum, den Kindern einen schönen Geburtstag zu gestalten.

Welche Ausstellung hat dir bisher am besten gefallen oder hat sich bei dir besonders einprägt? Was muss man sich im Museum auf jeden Fall ansehen?
Eine der ersten Ausstellungen die ich mitgemacht hab war „Vita Dubia“, wo es um den Scheintod ging. Wie stellt man den Tod fest? Es wurden medizinische Aspekte aber auch pseudowissenschaftliche Experimente an leblosen Tieren dargestellt.
Aber so ganz spontan finde ich auch die Brotköpfe von Harry Kramer, der aus Brot Skulpturen gemacht hat, sehr faszinierend. Oder auch das Zimmerdenkmal, welches fast ausschließlich aus menschlichem Haar angefertigt wurde. Diese Exponate findet man in der Hauptausstellung.

Danke für das Interview!